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Polizei bei der montäglichen Pegida-Demonstration in Dresden.

© picture alliance / dpa

Appell anlässlich homophober Übergriffe: Wir dürfen uns nicht alles gefallen lassen

Schwule, Lesben und Transmenschen machen oft schlechte Erfahrungen, wenn sie die Polizei rufen. Trotzdem sollten sie Übergriffe und Beleidigungen melden. Ein Appell von Polittunte Patsy l'Amour laLove.

Letzte Woche fand ich mich nach der Pegida-Gegendemonstrationen inmitten von Rechten wieder, wo ich schwulenfeindlich bedroht und beschimpft wurde. Über einen längeren Zeitraum kam ich nicht aus der Situation heraus. Der Notruf half mir nicht, weigerte sich, mich und meinen Freund aus der Gefahrensituation zu holen. Dazu hätte es mehrere Möglichkeiten gegeben, diese Hilfe aber wurde uns verweigert.

Ich habe den Vorfall öffentlich gemacht. Als Reaktion erhielt ich sehr viele Nachrichten -mehr als ich dachte, von Schwulen, Lesben und Trans*Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Berichte von Gewalt, Feindseligkeit und von Fehlverhalten der Polizei – Notrufe, bei denen nicht geholfen wurden, ebenso wie von Polizist_innen, die vor Ort eintrafen und sich über die Angegriffenen lustig machten.

Überdies traf ich mich mit dem Verband lesbischer und schwuler Polizeibediensteter (VelsPol), der sich seit Langem unter anderem darum bemüht, innerhalb der Polizei bundesweit eine Sensibilität für LGBT und ihre Erfahrungen mit Hassverbrechen herzustellen. Die Beamten waren sofort zur Stelle, als ich mich meldete.

Nicht gemeldete Fälle tauchen nirgends auf

Viele der Berichte, die ich erhielt, zeugen von der Angst, überhaupt die Polizei zu rufen. Es gibt also einen großen Missstand. Und es ist emotional häufig nicht einfach, erfahrene Gewalt zu melden. Trotzdem rufe ich dazu auf, das unbedingt zu tun. Es geht mir nicht darum, dass alle in den Medien ihr Gesicht hinhalten und sich als Person öffentlich machen sollen. Vielmehr ist es wichtig, die Gewalt und Diskriminierung zu benennen, damit sie nicht weiterhin so wenig sichtbar bleibt. Nicht gemeldete Fälle tauchen nirgends auf, weder bei Polizei noch in Anti-Gewaltprojekten. Das ist jedoch ungemein wichtig, denn eine „Dunkelziffer“ bleibt eben auch im Dunkeln und größtenteils unbeachtet.

Wir sollten uns Gewalt und teils fehlende Hilfe nicht gefallen lassen. Sollte Euch in irgendeiner Form Gewalt zugestoßen sein oder zustoßen, und sei es auch vor Jahren gewesen, und komme es Euch auch noch so unbedeutend vor, ist es wichtig diese Vorfälle (anonym) zu melden:

- bei der Polizei, indem Anzeige (auch gegen Unbekannt) erstattet wird, oder, per Brief oder E-Mail an die jeweilige Dienststelle. Dazu gehören gegebenenfalls auch Beschwerden über problematisches Verhalten des Notrufs.

- an die VelsPol wenden: Hier stehen Euch lesbische und schwule Polizist_innen bei Bedarf zur Seite und sie haben einen direkteren Draht innerhalb der Polizei, um Vorfälle zu melden (hier geht es zum Berlin-Brandenburger Verband).

- an eine queere Gruppe vor Ort, den LSVD-Verband sowie, falls vorhanden, Anlaufstellen wie LesMigras, Maneo oder Gladt.

Lasst Eure Erfahrungen mit Gewalt nicht links liegen. Ich kenne das aus meinem Alltag, schwulen- und tuntenfeindliche Beschimpfungen abzubekommen und mich danach schnell mit etwas anderem zu beschäftigen. Es ist aber sinnvoll, sich so direkt wie möglich damit auseinanderzusetzen und nicht mit den Erfahrungen alleine zu bleiben, also mit Freund_innen darüber zu sprechen, Unterstützung zu suchen. Vielen kommen solche Erfahrungen unwichtig vor, was meistens damit zusammenhängt, dass man sich schämt. Doch Ihr habt ein Recht darauf, über Eure Erfahrungen zu sprechen.

Die Autorin: Patsy l'Amour laLove ist Polit-Tunte aus Berlin, promoviert derzeit an der Humboldt-Universität in den Gender Studies zur Schwulenbewegung der 1970er Jahre in Westdeutschland und hat unter anderem das LGBTI-Referat des Refrats der HU gegründet.
Die Autorin: Patsy l'Amour laLove ist Polit-Tunte aus Berlin, promoviert derzeit an der Humboldt-Universität in den Gender Studies zur Schwulenbewegung der 1970er Jahre in Westdeutschland und hat unter anderem das LGBTI-Referat des Refrats der HU gegründet.

© Promo/Dragan Simicevic

Es ist, wie sich immer wieder zeigt, durchaus Skepsis angebracht, allerdings ist es notwendig, dass die Polizei auch Lesben, Schwulen und Trans*Menschen in Notsituationen angemessen hilft. Veränderungen ergeben sich nicht von Jetzt auf Gleich, das ist mir klar. Ich bin aber davon überzeugt, dass es wichtig ist, zumindest zu versuchen, etwas zu verändern.

Dieser Appell ist der eigentliche Grund für mich gewesen, den Fall öffentlich zu machen. Selbstverständlich kann man durch das Aufschreiben und die Empathie, die dadurch entsteht, einen Teil des Geschehenen verarbeiten.

Es wird rassistisch gehetzt - das sind keine besorgten Bürger

Auch klar ist aber, dass es angenehmer gewesen wäre, das nicht tun zu müssen und es mit mir und meinem Umfeld zu bearbeiten. Schließlich macht man sich angreifbar, wenn man mit so einer Erfahrung an die Öffentlichkeit geht. Dass solche Angriffe von Rechten kommen, ist absehbar, die Angriffe von Lesben, Schwulen und Trans*Menschen in Kommentarspalten sind umso besorgniserregender.

Was uns nach der Pegida-Demo zugestoßen ist, ist auch Bestandteil eines gesellschaftlichen Problems, das sich in Pegida selbst äußert. Zu diesen Kundgebungen kommen ja nicht irgendwelche harmlosen besorgten Bürger. Dort wird rassistisch gehetzt und nach dem Anderen getreten. Die viel beschworene Toleranz in dieser Gesellschaft steht auf sehr wackligen Füßen.

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Patsy l\'Amour laLove

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