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Zanele Muholi (links) bei einer Ausstellungseröffnung. Im Hintergrund eines ihrer Porträts.

© Wikipedia

Fotografin Zanele Muholi in Berlin: Kunst gegen homophobe Gewalt in Südafrika

Südafrika hat die Homo-Ehe - und dennoch ist Gewalt gegen Homosexuelle alltäglich. Die Fotografin Zanele Muholi will mit Kunst dagegen halten und porträtiert queere Aktivisten aus ihrem Land. Ihre Werke sind derzeit in Berlin zu sehen.

Zanele Muholis Fotografien nehmen einen gefangen. Es sind die festen Blicke, die sie in den schwarz-weißen Porträts aus der Reihe „Faces and Phases" festgehalten hat, die Betrachter fesseln. Blicke von schwarzen Fußballer*innen, Künstler*innen, Aktivist*innen, Müttern und Schwestern, die die traditionellen Rollenentwürfe der Geschlechter in Südafrika - und anderswo - aufbrechen. Einige Fotografien aus dieser Reihe sind nun auch in Berlin zu sehen: Sie hängen als Teil der Ausstellung „Homosexualität_en“ noch bis Dezember im Deutschen Historischen Museum.

Zanele Muholi begann 2007 mit ihren Porträts

Es ist nicht das erste internationale Museum, das Werke der südafrikanischen Fotografin Zanele Muholi ausstellt. Die 1972 in Durban geborene Muholi erhielt schon während ihres Fotografie-Studiums in Johannesburg Aufmerksamkeit für ihre besondere Arbeit. Heute ist sie weltweit als visual activist für LGBT-Rechte bekannt und als Fotografin vielfach ausgezeichnet, 2013 nahm sie an der Documenta teil.

Frauen in zärtlicher Geste, Männer mit grellen Lippenstift

2007 begann Muholi, schwarze LGBT-Personen aus Townships zu porträtieren, um positive Bilder von einer Gruppe zu schaffen, die in den Medien sonst vor allem als „Opfer“ von Gewalttaten abgelichtet wird. Da umschlingen sich zwei Frauen in zärtlicher Geste. Andere Paare blicken mit erhobenem Kopf in die Kamera. Genauso zeigt sie Porträts von Männern, die grellen Lippenstift tragen und als Frauen leben, und Frauen, die ihre Brüste abbinden, um als Männer zu leben.

Bis heute setzt Muholi diese Arbeit fort und hat mittlerweile Menschen aus anderen Ländern in die Reihe aufgenommen. Ihr sei es wichtig, die Momente und Bewegungen der schwarzen LGBT festzuhalten, sagt Muholi. Die Reihe soll aber auch kollektiven Schmerz artikulieren: Den Schmerz, den der Verlust von Freunden durch Krankheit oder hate crimes erzeuge. Einige der in „Faces and Phases“ porträtierten Personen sind bereits gestorben.

Gewalt gegen Lesben und Schwule ist in Südafrika Alltag

Zwar ist Südafrika bei den Rechten von Homosexuellen schon sehr weit. Schon 2006 hat es die Ehe für Lesben und Schwule geöffnet - als bisher einziges Land in Afrika. Im Alltag allerdings sind Diskriminierungen und Gewalt immer noch groß, Lesben, Schwule und transgeschlechtliche Menschen längst noch nicht anerkannt. Eine Studie des Pew Research Center von 2013 ergab, dass 61 Prozent der südafrikanischen Bevölkerung glaubt, die Gesellschaft solle Homosexualität nicht akzeptieren.

„Wir suchen Schutz in unserer Verfassung. Aber Realität ist, dass schwarze Lesben in südafrikanischen Townships Ziel gewaltvoller Unterdrückung sind,“ schreibt Muholi in einer Erklärung zu „Faces and Phases“. „Wir erleben Vergewaltigungen durch Banden, Vergewaltigungen durch sogenannte Freunde, Nachbarn und teils sogar Verwandte. Einige der „curative rapes“ werden bei der Polizei gemeldet. Aber viele Fälle bleiben unangezeigt.“  Als „curative“ oder „corrective“ rape werden Vergewaltigungen bezeichnet, mit denen Männer die sexuelle Orientierung von Frauen, die sie als Lesben wahrnehmen, „korrigieren“ wollen. Brutale Verbrechen, die in Südafrika weit verbreitet sind. Durch ihre Fotografie verschafft Muholi diesem Problem gesellschaftliche sowie politische Aufmerksamkeit.

Muholi versteht sich als Fotografin und Aktivistin

Muholi versteht sich als Fotografin und Aktivistin. Vor sechs Jahren gründete sie die Organisation Inkanyiso, auf deren Webseite die Menschen, die Muholi fotografiert hat, Raum für eigene Veröffentlichungen haben. Eine der Frauen, deren Arbeit auf Inkanyiso.org zu sehen ist, ist Collen Mfazwe. In Muholis „Faces and Phases“ ist sie mit einer großen Schärpe abgelichtet – „2nd Prince“ steht darauf. Mfazwes Blick ist intensiv, die Hände hält sie in den Taschen. Kürzlich war sie für eine Woche in Deutschland.

Eine der Proträtierten: Collen Mfazwe

An einem lauen Sommerabend zeigt Collen Mfazwe vor kleinem Publikum einen Film. Die knapp zehnminütige Aufnahme zeigt die volle Straße eines Townships. Umgeben von einem Menschenkreis führen drei  Tänzerinnen und Tänzer eine sehr kraftvolle Performance auf - barfuß und eingewickelt in Absperrband. Eine singt, ihre Stimme ist durchdringend und wiederholt die Worte „in my silence, be my boss“.

Die Performance wird immer intensiver, schließlich gewaltvoll. Man möchte fast wegschauen. Auf die Frage einer südafrikanischen Aktivistin, was Gewalt im queeren Kontext in Deutschland bedeute, folgt eine lange, unangenehme Stille. Die Veranstaltung geht in einen formlosen Austausch über, später wird getanzt. Es ist der Abschluss eines einwöchigen Workshops des Berliner Institut für Queer Theory und der Universität Stellenbosch.

Welche Wirkung haben gewaltvolle Bilder?

Was bedeutet Gewalt in Deutschland, was in Südafrika? Welche Wirkung haben gewaltvolle Bilder? Und wie lässt sich ihnen visuelle Kunst entgegensetzen? Ein weitere visuelle Arbeit, die an diesem Abend gezeigt wird, ist ein eindrücklicher Stop-Motion-Clip. Gezeichnet hat ihn Daniel Nel, ein junger Maler und Aktivist aus Südafrika. Die Worte hat Kylie Thomas, Dozentin an der Universität Stellenbosch, kurz nach dem Mord an Anene Booysen verfasst. Die Vergewaltigung und grauenvolle Verstümmelung der 17-jährigen Kapstädterin ging 2013 weltweit durch die Presse. Zumeist als sachliche Meldung, gefüttert mit einem Hintergrund zu Gewalt in Südafrika. Nel und Thomas möchten die von ihnen als gefühlslos empfundene Berichterstattung mit ihrem "Lament" betitelten Clip aufrütteln. Sie stellen eine essentielle Frage: „Warum?“

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Leonie Sontheimer

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