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In der Berliner U-Bahn.

© picture-alliance/dpa

Fünf Minuten Stadt in der U-Bahn Berlin: Wenn Liebe stärker ist als Terror

Wenige Wochen nach den Anschlägen von Paris: Fünf Minuten in der U-Bahn in Berlin, in denen die Liebe stärker ist als der Terror.

Von Maris Hubschmid

Samstagnachmittag am U-Bahnhof Südstern: Warten auf die U7 Richtung Westen. Der Bahnsteig ist gut gefüllt. Die Anzeige sagt: noch drei Minuten. Zwei junge Männer kommen die Treppe herunter, bärtig, schwarzhaarig, dunkel gekleidet. Einer hat die Kapuze tief in die Stirn gezogen, der andere den Kopf in einen Schal gehüllt. Er trägt eine ausladende graubraune Tasche.

Wenige Schritte entfernt steht ein älteres Paar Mitte, Ende 70. Sie, klein, leicht gebückt, mit auberginefarbener Steppjacke und flacher Mütze in Beige, er im hellbraunen Kragenmantel mit Gehstock. Sehen einander an, lassen ihre Blicke von der Tasche zum Träger zum Begleiter wandern. Starren immer unverhohlener. Die Frau sagt etwas, ihr Mann nickt. In kleinen Schritten entfernen sie sich von den arabisch aussehenden Fremden.

Die Bahn fährt ein, das Paar bleibt regungslos neben einem Pfeiler stehen. Nur die Augen bewegen sich, verfolgen, wie die Bärtigen einsteigen. Als der Zug anrollt, bleiben die Alten zurück.

Der Wagen ruckelt, die beiden lächeln

Die jungen Männer haben sich nebeneinandergesetzt. Der eine holt einen Beeren-Smoothie aus der Innentasche seiner Kapuzenjacke, nimmt einen Schluck, hält das Fläschchen dem anderen hin. Der wickelt seinen Schal ab, trinkt. Der Wagen ruckelt. Da fährt der Erste mit dem Finger über den Mundwinkel des anderen: ein Safttropfen. Mit demonstrativem Genuss leckt er sich die Fingerkuppe ab. Der Zweite lächelt, legt ihm die Hand auf den Schenkel. Dann küssen sie sich.

Der Text ist im gedruckten Tagesspiegel in der Samstagsbeilage "Mehr Berlin" erschienen. - Mehr LGBTI-Themen erscheinen auf dem Queerspiegel, dem queeren Blog des Tagesspiegels. Themenanregungen und Kritik gern im Kommentarbereich etwas weiter unten auf dieser Seite oder per Email an:queer@tagesspiegel.de. Sie finden uns unter @queerspiegel auch auf Twitter.

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