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Verschleierte Iranerinnen neben einem Wandgemälde mit dem Konterfei von Ayatollah Khomeini in Teheran, 1984. In dieser Zeit spielt Deborah Ellis' Roman "Wenn der Mond am Himmel steht, denk ich an dich".

© imago stock&people, Dieter Bauer

Homosexualität in Iran: Das kurze Glück von Farrin und Sadira

Zwei kluge Mädchen im Iran lieben sich, was offiziell nicht sein darf. Deborah Ellis hat diese wahre Geschichte in einem bewegenden Jugendroman erzählt.

Iran 1988. Der verheerende Krieg zwischen dem Irak Saddam Husseins und dem Iran der Ayatollahs dauert nun schon acht Jahre – insgesamt verlieren mehr als eine Million Iraner in den grausamen Auseinandersetzungen ihr Leben. Vor diesem Hintergrund erzählt Deborah Ellis in ihrem Roman „Wenn der Mond am Himmel steht, denk ich an dich“ die wahre Geschichte einer tiefen Liebe zwischen zwei Mädchen, die es im Iran so nicht geben durfte und nicht geben darf. 4000 Schwule und Lesben sind nach Informationen einer iranischen Menschenrechtsorganisation wegen ihrer sexuellen Orientierung getötet worden.

Es ist Liebe auf den ersten Blick

Das junge Mädchen Farrin schreibt für ihr Leben gern Geistergeschichten, harmlose Erzählungen, die aber der Schulleiterin Kobra an einer Hochbegabtenschule nicht passen. Dass sie dies auch während des Chemieunterrichts tut, erbost die Direktorin, aber auch Pargol, die Aufpasserin des Jahrgangs, mit blinder Wut. Sie versuchen, Farrin vorzuführen, doch das intelligente Mädchen kann alle Fangfragen nach vermeintlich versäumtem Unterrichtsstoff beantworten. Aus Rache für die Demütigung bemalt Farrin den Tschador Pargols mit weißer Kreide – ein harmloser Spaß.

Auf dem Weg durch die Schule hört sie den bezaubernden Klang eines Santur, eines traditionellen Instruments, das ein Mädchen perfekt spielt, eine neue Schülerin. „Farrin öffnete die Augen. Die Musikerin sah auf, und Farrin war wie vom Blitz getroffen, als sich ein Paar ungeheuer grüner Augen auf sie richtete. Einen Moment lang vergaß sie sogar zu atmen.“ Liebe auf den ersten Blick.

Farrin ist fasziniert von der selbstsicheren Sadira, die alles unbefangen und frisch angeht und vor nichts und niemand Angst hat. Sie übernimmt die Verantwortung für den verschmierten Tschador, gibt ihn als den ihren aus, säubert ihn und lässt durchblicken, dass sie die Schulleiterin gut kennt. Der Angriff Pargols läuft ins Leere. Farrin lernt, dass man den Gegner auch mit Offenheit und Freundlichkeit beschämen kann.

Die Autorin lernte eine Frau aus dem Iran kennen

Die kanadische Psychotherapeutin und Autorin Deborah Ellis, die schon einige Jugendbücher über Frauen in Afghanistan geschrieben hat, darunter „Die Sonne im Gesicht“ und „Im Herzen die Angst“, lernte 2013 eine Frau aus dem Iran kennen, die all das erlebt hat – Stoff für einen Roman, der niemanden kalt lässt. Es ist die wunderbare Geschichte zweier Mädchen in schwieriger Zeit, die einander gefunden haben und ihren Weg gemeinsam gehen wollen, gegen alle Widerstände.

Deborah Ellis erzählt die wahre Geschichte zweier junger Mädchen gegen Ende des Iran-Irak-Krieges.
Deborah Ellis erzählt die wahre Geschichte zweier junger Mädchen gegen Ende des Iran-Irak-Krieges.

© cbj

Dabei gewährt Ellis tiefe Einblicke in die iranische Gesellschaft der späten achtziger Jahre, in denen wahrscheinlich nicht nur die Eltern Farrins – heimliche Schah-Anhänger – die Wiederkehr des großen Führers auf dekadenten Partys mit reichlich Alkohol bei Bombenalarm herbeisehnten, eine groteske Gesellschaft Ewiggestriger, für die Farrin als „gute Tochter“ auf dem Klavier vorspielen muss. Das Mädchen ist von diesen Anhängern des alten Regimes genauso angewidert wie von den fundamentalistischen Führern und der Regierung, die jetzt das Sagen haben. Mit ihrer Neugier auf das Leben und die Liebe passt Farrin in keine dieser Welten.

Ellis erzählt ihre Geschichte behutsam, aber durchaus mit kritischem Blick auf den Krieg, der ihnen vom Irak aufgezwungen wurde und der jetzt in der Endphase immer mehr Opfer fordert. Sie erzählt von dem Terror der Revolutionsgarden, dem brutalen Klima und den Schikanen in der Schule, wo selbstständiges Denken nicht erwünscht ist. Sadira und Farrin ecken an, weil sie anders sind, und das wird allmählich zum Problem. „Wir bleiben immer zusammen, lernen fleißig weiter, und wenn sich die Gelegenheit ergibt, setzen wir uns in aller Ruhe auf eine Parkbank und genießen den Augenblick“, sagt Farrin. Kurz darauf werden sie Zeugen einer brutalen öffentlichen Hinrichtung.

Farrin und Sadira halten zusammen, auch in größter Not

Gegensätze prallen aufeinander, Stimmungen wechseln. Aber Farrin und Sadira halten zusammen, auch in größter Not – und gestehen sich ihre Liebe, was nach außen dringt und Konsequenzen hat. „Wenn der Mond am Himmel steht, denk ich an dich“ ist ein sehr poetischer, aufrüttelnder Roman über eine Gesellschaft, in der Homosexuelle mit der Todesstrafe bedroht sind, ein packendes Buch, zumal man weiß, dass es sich um eine wahre Geschichte handelt.

Deborah Ellis: Wenn der Mond am Himmel steht, denk ich an dich. Aus dem Englischen von Edith Beleites. cbj Kinder- und Jugendbuchverlag, München 2015. 254 Seiten. 14,99 Euro. Ab 13 Jahren.

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