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Nasser El-Ahmad zeigt den «Respektpreis 2015». Er wehrte sich öffentlich gegen die Unterdrückung durch die eigenen Verwandten.

© Jörg Carstensen/dpa

Homosexueller Aktivist: Nasser el-Ahmad erhält Respektpreis

Der 18-jährige Nasser el-Ahmad, den seine eigene Familie entführt hatte, wurde am Mittwoch ausgezeichnet. Laut dem Polizeipräsidenten ist die Zahl homophober Übergriffe in Berlin konstant hoch.

Die Zahl homophober und transphober Übergriffe in Berlin ist im Vergleich zum Vorjahr gleich hoch geblieben. Das berichtete Polizeipräsident Klaus Kandt am Mittwoch bei der Verleihung des Respektpreises des Bündnisses gegen Homophobie.

Demnach habe es in der ersten Jahreshälfte 2015 mit 51 gemeldeten Übergriffen nur einen weniger gegeben als im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres. Insgesamt registrierte die Berliner Polizei 2014 74 homo- und transphobe Übergriffe. Die Dunkelziffer liege jedoch beträchtlich höher, so Kandt.

"Angriffe auf uns alle"

Schätzungen zufolge würden 80 bis 90 Prozent der Straftaten gegen queere Menschen nicht zur Anzeige gebracht. Rund 900 Vorfälle könnten sich demnach pro Jahr ereignen, von denen die Polizei nichts mitbekomme. Kandt sprach dabei von einem „Angriff auf uns alle“, dem man entschieden entgegen treten müsse.

Den Respektpreis des Bündnisses gegen Homophobie erhielt der 18-jährige Nasser El-Ahmad; er zeichne sich nicht nur durch seine Lebensgeschichte, sondern auch durch sein Engagement und Durchhaltevermögen aus, sagte Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD), die den Preis überreichte. Damit sei er ein Vorbild für andere, Respekt laut einzufordern. „Wir brauchen mehr Menschen wie Nasser“, sagte die Senatorin.

Nasser bekommt noch immer Morddrohungen

Nasser wuchs in einer libanesisch-stämmigen Familie auf. Der Sohn strenggläubiger Eltern wurde Anfang dieses Jahres bekannt, nachdem er seinen eigenen Vater und zwei seiner Onkel wegen Entführung anzeigte. Aus Ärger über die sexuelle Orientierung und den westlichen Lebensstil des 18-Jährigen hatten die ihn in die Wohnung der Eltern gelockt, betäubten und entführten ihn. Offenbar wollten sie ihn im Libanon ermorden lassen. Nur dank aufmerksamer Grenzbeamter an der rumänisch-bulgarischen Grenze flog die Entführung auf.

Vor zwei Jahren erfuhr die Familie durch ein Zwangsouting von Nasser Homosexualität. „Ich bekomme noch heute beleidigende Worte zu hören, bis hin zu Morddrohungen“, sagte er nach der Preisvergabe. Heute engagiert sich Nasser für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung queerer Menschen.

Der Fall des Jungen zeige, dass Homosexuelle in strenggläubigen Familien noch immer zu leiden hätten, sagte Kolat. Zwangsehen beträfen demnach nicht nur Frauen, sondern auch Männer. Der Respektpreis 2015 wurde in diesem Jahr zum fünften Mal verliehen. Nominiert waren neben dem 18-jährigen auch der ehemalige Kinderarzt Jörg Woweries, die Aktivistin Annet Audehm sowie eine Arbeitsgruppe der Universität der Künste.

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Florian Brand

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