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Udo Figge (r), König der Bilker Schützen, sitzt am 03.10.2015 mit seinem Ehemann Dirk Jehle (l) während der Krönungsfeier in Düsseldorf am Tisch. Ein schwules Schützenkönigspaar hatte nicht jedem gefallen. Trotzdem hat sich der Dachverband der Schützen nun zu mehr Offenheit bekannt.

© dpa

Katholische Vereine öffnen sich: Schwule und Muslime als Schützenkönige?

Schwule Königspaare oder Muslime als Titelträger: Bei den katholischen Schützenbruderschaften ist das bisher tabu. Nun will sich der Verband etwas öffnen. Es gibt aber einen Haken.

Der Bund der Historischen Deutschen Schützenbrüderschaft (BHDS) gibt sich neuerdings tolerant und offen: Die 1300 Schützenvereine in Deutschland sollen künftig vor Ort entscheiden können, ob sie auch Nicht-Christen als Mitglieder aufnehmen und zum Königsschießen antreten lassen wollen. Das bedeutet, dass auch Muslime, Juden, Hindus und Buddhisten Schützenkönige werden können. Auch die sexuelle Orientierung eines Menschen soll für die Aufnahme in eine Bruderschaft unerheblich sein. „Wir wollen den Vereinen in diesen Fragen künftig freie Hand lassen“, sagte BHDS-Sprecher Rolf Nieborg. Dieser Öffnung muss die Bundesvertreterversammlung aber erst noch zustimmen. Beschlüsse sind im Frühjahr zu erwarten. Rainer Busemann, Sprecher aller Schützenchefs aus dem Großraum Werl, war zunächst zufrieden mit der Entscheidung zur Weichenstellung zur liberaleren Satzung: "Das ist mehr, als wir noch vor einem halben Jahr erwarten durften.“

Nur nicht ohne Religion

Lediglich bei Menschen, die aus der Kirche ausgetreten sind, bleibt der BHDS hart. "Alle Mitglieder unseres kirchlichen Vereins müssen eine Religionszugehörigkeit haben", sagte Bundesschützenmeister Emil Vogt dem Tagesspiegel am Montag. Niemand würde erwarten, dass beispielsweise Muslime, die Schützenkönig werden wollen, konvertieren. "Aber sie müssen Teil einer Glaubensgemeinschaft sein." Welche das ist, sei unerheblich. Dies bedeutet freilich auch, dass Homosexuelle, die Schützenkönig werden wollen, Mitglieder einer Glaubensgemeinschaft sein müssen. Die vermeintliche Offenheit des Verbandes hat also einen Haken: Viele Schwule und Lesben stimmen nicht mit den Werten der Religionen überein, da diese gleichgeschlechtliche Partnerschaften immer noch diskriminieren.

"Als kirchlicher Verband müssen wir glaubhaft sein", sagt Vogt. "Wer aus der Kirche ausgetreten ist, kann sich nicht um Aufnahme in einer kirchlichen Gemeinschaft bewerben.“ Der Schützenbund orientiere sich dabei an aktuellen Entscheidungen der Deutschen Bischofskonferenz. „Wir dürfen bei aller Liberalität unser eigenständiges, kirchliches Profil nicht verlieren", sagt Vogt. Bereits im Sommer hatte er in einem Rundschreiben zu einer intensiven Wertedebatte aufgerufen.

König und Gemahl in Düsseldorf auf dem Thron

Der BHDS hat es nicht leicht, muss er doch einen Spagat wagen zwischen den immer noch erzchristilichen Mitgliederstimmen im Verein und den zuletzt eigenhändig durchgeführten Öffnungen einzelner Vereine: So hatte es im letzten Monat ein Homosexueller auf den Thron seiner Kompanie in Düsseldorf geschafft. König Udo Figge hatte sogar seinen "Gemahl" Dirk Jehle mit auf das Podium genommen - und damit gegen die Traditionen des katholischen Dachverbandes verstoßen, wie dieser moniert hatte.

"Es entspricht nicht der Tradition, dass ein Königspaar aus Männlein und Männlein oder Weiblein und Weiblein besteht“, hatte Rolf Nieborg damals noch gesagt. Dem schwulen Würdenträger in Düsseldorf war zunächst noch geraten worden, eine "Alibi-Frau" mit auf den Thron zu nehmen. Figge hatte dies aber abgelehnt: „Ich habe meinen Mann geheiratet, um solche schönen Momente mit ihm teilen zu können“, hatte der SPD-Politiker vor der Inthronisierung gesagt.

Muslim in Westfalen Schützenkönig

Noch im letzten Jahr hatte der BHDS den muslimischen Schützenkönig Mithat Gedik im westfälischen Werl zum Rücktritt bewegen wollen und dafür viel Kritik bekommen. Der Verband hatte die Abdankung des Muslims gefordert, weil er kein Christ sei, wie es die Satzung des Schützenvereins verlangt. Dies soll sich nun ändern.

Im Laufe der Zeit war aber immerhin eine Tendenz in Richtung Toleranz zu erkennen: Bereits im Jahre 2011 hatte es aufgrund eines schwulen Schützenkönigs Stress in Westfalen gegeben: König Dirk Winter wollte seinen Partner beim Umzug neben sich laufen lassen. BHDS-Sprecher Nieborg damals: „Wenn jemandem die Regularien unseres Verbandes nicht gefallen, steht es ihm frei auszutreten."

"Der Platz der Königin muss frei bleiben"

Den ersten Schützenkönig bundesweit, der in gleichgeschlechtlicher Ehe lebte, gab es 2009 in Dormagen. Der Ehepartner von Ingo Bouvelet fuhr zwar mit in der Kutsche, dies allerdings gegen den Willen der Schützenbruderschaft. Diese versuchte immer wieder, den schwulen Partner zu verstecken. Noch 2012 hatte es den Beschluss gegeben, dass der Partner eines Schützenkönigs in zweiter Reihe hinter dem König gehen muss. "Der Platz der Königin muss frei bleiben", sagte Nieborg damals.

Nun also vorerst die verbale Öffnung des 400.000 Mitglieder umfassenden Dachverbandes. In einer Pressemitteilung spricht man von einem "klaren Bekenntnis zu den christlichen Wurzeln und Traditionen, aber umfassender Bereitschaft zum Miteinander mit Hinzugekommenden aus anderen Kulturkreisen."

Empörung durch Pegida-Briefe

Die Leitworte des BHDS sind: Glaube, Sitte, Heimat. Zuletzt hatte "Pegida NRW" versucht, diese Werte zu missbrauchen, wie Vogt berichtet. Demnach seien im Oktober Briefe in mehreren Bruderschaften in Westfalen eingegangen, namenlos aber mit Absender "Pegida NRW". Darin wird an die Schützenvereine als Bewahrer der Tradition appelliert, die Werte Glaube, Sitte, Heimat angesichts einer "unkontrollierten Masseneinwanderung", die auch Feste und Feiern gefährde, zu erhalten. Vogt zeigt sich entsetzt: "Unser Bekenntnis ,Bruder sein ist mehr' beschränkt sich nicht auf die Schützenfamilie", sagte er. "Unsere Vereinigungen geben allgemein Heimat - auch und besonders Flüchtlingen." "Pegida NRW" versicherte auf eine Anfrage der Rheinischen Post, kein solches Schreiben verfasst oder verschickt zu haben.

Die neuerlichen Worte des BHDS gehen klar in Richtung Toleranz. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes will sich derzeit noch nicht zu der vermeintlichen Öffnung der Schützenvereine äußern. Es soll erst abgewartet werden, ob es tatsächlich konkrete Ergebnisse geben wird.

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