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Mit Segen. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Stefan Kaufmann (M.) und sein Lebensgefährte Rolf Pfander (r.) in der Alt-Katholischen Gemeinde Stuttgart.

© dpa

Nach den Vatikan-Äußerungen zur Homo-Ehe: Das deutliche Schweigen der deutschen Bischöfe

Die Vatikan-Äußerung zum irischen Referendum über die Öffnung der Ehe löst in der katholischen Kirche Ärger aus. Einige Kirchen-Vertreter sind entsetzt: "Wenn ich diese harten und lieblosen Worte lese, bleibt mir die Luft weg.“ Die deutschen Bischöfe schweigen deutlich.

Die Worte klingen drastisch, mit denen der zweitwichtigste Mann im Vatikan, Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, das irische Referendum zugunsten der Öffnung der Ehe für Lesben und Schwule kommentiert: „Eine Niederlage für die Menschheit, nicht nur für christliche Werte.“ Dahinter aber – und das ist das Überraschende – kommt kein Bann. So sieht das in aller Nüchternheit die offizielle Zeitung des Vatikans, der „Osservatore Romano“: „Kein Verdammungsurteil, eher eine Herausforderung für die ganze Kirche. Sie gilt es anzunehmen.“

Ein Kurienkardinal: Die Kirche hat zu lange geschwiegen

Auch der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper (82) sieht „jetzt den Moment gekommen, über diese Themen zu diskutieren; die Kirche hat allzu lange dazu geschwiegen“. So sagt es Kasper der italienischen Zeitung „Corriere della Sera“. Der vom Papst sehr geschätzte Theologe fährt fort: „Der Realität ins Auge blicken, heißt auch anzuerkennen, dass in Irland viele Gläubige mit Ja gestimmt haben und dass das Klima in anderen europäischen Ländern ähnlich ist.“ Das heißt, „dass unsere traditionellen Formeln, mit denen wir die Dinge versucht haben zu erklären, nicht mehr den Verstand und das Herz der Leute erreichen“. Es gehe nicht darum, Barrikaden zu errichten, sagt Kasper: „Wir müssen vielmehr eine neue Sprache finden, um die anthropologischen Fundamente von Mann und Frau und Liebe in verständlicher Weise zu vermitteln, vor allem für junge Leute.“ Unverrückbar bleibe dennoch: „Eine Gleichsetzung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften mit der Ehe kann die Kirche nicht akzeptieren. Die Bibel ist da ganz klar.“

Die deutsche Bischöfe schweigen

Die deutschen Bischöfe schweigen zu Parolins Äußerung. Weder Kardinal Karl Lehmann (Mainz), noch Kardinal Reinhard Marx (München), noch Erzbischof Stephan Burger (Freiburg) und nicht einmal der als Familienbischof gewählte Heiner Koch (Dresden) wollten sich auf Anfrage des Tagesspiegels zu Wort melden. Der Sprecher der Erzdiözese Freiburg, Robert Eberle, schrieb dem Tagesspiegel: „Temporäre Überhitzungen durch Randbemerkungen kommentieren wir im Erzbistum Freiburg üblicherweise nicht.“ Dennoch machte er darauf aufmerksam, dass seine Diözese auf Homosexuelle zugehe: „Wir fördern, dass homosexuellen Menschen in unserer Kirche mit Toleranz, Achtung und Respekt begegnet wird, damit sie ihren Platz in unseren Gemeinden, Gruppen und Verbänden einnehmen können!“ Mit einem Faltblatt unter dem Titel „Den Menschen sehen“ wirbt die Freiburger Kirche für Gottesdienste und Seelsorgeangebote für Homosexuelle.

"Ein Signal der Distanzierung" von Rom

Ursula Heinen-Esser, Vorsitzende des katholischen Beratungsverbands Donum Vitae in Nordrhein-Westfalen, wertet diese Schweigsamkeit als ein „Signal der Distanzierung“ von Rom. „Ich bin immer noch überzeugte Katholikin“, sagte sie dem Tagesspiegel. „Aber wenn ich diese harten und lieblosen Worte lese, bleibt mir die Luft weg.“ Auch Generalvikar Klaus Pfeffer aus Essen nannte die Wortwahl im Kölner Domradio „völlig unangemessen“.

Ort der großen Kirchendiskussion wird der zweite Teil der Synode über die Familie sein, zu der Papst Franziskus die Weltbischöfe im Oktober nach Rom eingeladen hat. In der ersten Runde 2014 war es gerade beim Thema Homosexualität hoch hergegangen. Schon damals hatten mit Blick auf die gewandelten gesellschaftlichen Realitäten zahlreiche Bischöfe einen neuen Blick auf Homosexuelle und deren Lebensgemeinschaften gefordert.

Bisher galt – und gilt – die strikte Ablehnung, wie sie der Katechismus formuliert: Die Zuordnung von Mann und Frau sei in der göttlichen Weltschöpfung begründet; demgegenüber seien „homosexuelle Tendenzen objektiv ungeordnet“, homosexuelle Handlungen „eine schlimme Abirrung“ und „auf keinen Fall zu billigen“. Denn bei homosexuellen Geschlechtsakten bleibe „die Weitergabe des Lebens ausgeschlossen“. Zwar befindet auch der Katechismus, Homosexuellen sei „mit Achtung, Mitgefühl und Takt zu begegnen“. Und zumindest eine „ungerechtfertigte“ Zurücksetzung soll unterbleiben. Vor diesem Hintergrund war revolutionär, was die Synode 2014 formuliert hat: Auch Schwule hätten „Gaben und Qualitäten“, die sie der Kirche anbieten könnten; auch gebe es vorbildliche, wertvolle Fälle von Lebenspartnerschaften, „mit gegenseitiger Unterstützung bis hin zur Selbstaufopferung“. Allerdings überlebten diese Passagen die aufgeregte Diskussion nicht, die sie selber erzeugt hatten. Vor möglichen Folgen ihrer Öffnung erschraken die Synodenväter derart, dass sie im Abschlussdokument die alten Sätze aus dem Katechismus wiederholten.

Afrikanische Bischöfe beschimpfen ihre europäischen Kollegen

Zu welchen neuen Ansätzen und Formulierungen der neue „Blick auf die Realität“ bei der Bischofssynode in fünf Monaten führen wird, lässt sich nicht absehen. Klar ist aber eine starke Unterschiedlichkeit in der Betrachtung der Homosexualität: Afrikanische Bischöfe beschimpfen ihre europäischen, offeneren Kollegen regelrecht als „dekadent“. Mit Afrika wird es keine kirchliche Öffnung geben. Vielleicht gibt es sie auch überhaupt nicht.

Die Äußerung des Kardinalstaatssekretärs ist eine Verirrung der Kirche - das schreibt Tagesspiegel-Chefredakteur Stephan-Andreas Casdorff in seinem Kommentar.

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