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Sage (Julia Garner) und Elle (Lily Tomlin) in "Grandma".

© Sony

Neue queere DVDs: Fluchen, fauchen, flirten

Leider nie in den deutschen Kinos, dafür jetzt auf DVD: Die wunderbare Tragikomödie "Grandma" mit Lily Tomlin und das Liebesdrama "Liz in September" mit Patricia Velásquez.

Supercoole Lesbe im Seniorenalter - eine Rollenbeschreibung, die ungefähr den Seltenheitswert von Regen in Kalifornien haben dürfte. Lily Tomlin kann sich glücklich schätzen, dass sie mit einer solchen Rarität betraut wurde. Wobei es in diesem Fall sogar naheliegend war: Regisseur und Drehbuchautor Paul Weitz ("American Pie", "About A Boy") sagt, er habe die 76-jährige Schauspielerin und Komödiantin vor Augen gehabt, als er sich die Protagonistin von "Grandma" ausdachte.

Tomlin ist zwar keine Dichterin, wie die Filmheldin Elle Reid. Eine wichtige Gemeinsamkeit haben die beiden aber: Sie stehen auf Frauen. Die Schauspielerin ist schon seit über 40 Jahren mit ihrer Frau Jane Wagner zusammen. Elle Reid hat ihre Langzeitpartnerin hingegen überlebt und ist jetzt mit der deutlich jüngeren Olivia (Judy Greer) zusammen, das heißt: war. Gleich zu Beginn von "Grandma" trennt sie sich auf äußerst grobe Art von der Geliebten.

Oma und Enkelin gehen auf einen turbulenten Roadtrip

Kurz darauf platzt ihre 18-jährige Enkeltochter Sage (Julia Garner) bei Elle herein und bittet um Hilfe. Sie braucht dringend Geld für eine Abtreibung, die am Abend stattfinden soll. Doch sie erwischt die Dichterin, die als alte Feministin nichts gegen den Schwangerschaftsabbruch einzuwenden hat, in einem schlechten Moment. Elle hat gerade alle ihre Schulden bezahlt und sich von ihren Kreditkarten befreit. Die benötigten 630 Dollar hat sie nicht.

Dafür aber Energie, Entschlossenheit und ein altes Auto (Tomlins eigener 1955 Dodge Royal). Mit ihm gehen die beiden Frauen auf eine turbulente Reise durch Los Angeles, die in Elles Vergangenheit führt. Sage wird teilweise zur Statistin degradiert, während ihre Oma sich fluchend und fauchend an die Geldbeschaffung macht. Immerhin lernt das blonde Lockenköpfchen von ihr, dass man manchmal einfach "Fuck you!" zu jemandem sagen muss.

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Unterwegs gibt es schöne Begegnungen wie die mit Tätowiererin Deathy (toll: Laverne Cox) und weniger schöne wie die mit dem Ex-Lover Karl (knorrig wie immer: Sam Elliott). Wovor sowohl Sage als auch Elle zurückscheuen, ist allerdings das Treffen mit Elles Tochter Judy (Marcia Gay Harden). Sie ist eine erfolgreiche Geschäftsfrau, von der Elle sagt, sie habe Angst vor ihr, "seit sie fünf ist".

Paul Weitz gelingt es, das schwierige Verhältnis der drei Frauen glaubhaft zu vermitteln und sie sogar langsam aus der Sackgasse herauszumanövrieren. "Grandma" ist eine wunderbare Tragikomödie, die es unverständlicherweise nie in die deutschen Kinos geschafft hat. Und das, obwohl es eine deutsche Synchronversion gibt. Immerhin kann man den kurzweiligen Film, dem man nicht ansieht, dass er weniger als eine Million Dollar gekostet hat, jetzt auf DVD (Sony) oder als Stream sehen.

Liz (Patricia Velasquez) und Eva (Eloisa Maturen) in "Liz in September".
Liz (Patricia Velasquez) und Eva (Eloisa Maturen) in "Liz in September".

© Salzgeber

Ebenfalls keinen deutschen Kinostart hatte "Liz in September" von Fina Torres, den Salzgeber nun als DVD herausgebracht hat. Auch hier spielt eine lesbische Schauspielerin die Hauptrolle: Die Venezolanerin Patricia Velásquez, die als Model bekannt wurde, seit den Neunzigern in Filmen und Serien mitspielt (u.a. "The L-Word") und ihre Homosexualität letztes Jahr in ihrer Biografie "Straight Walk" öffentlich machte.

Schon 2014 erstand Fina Torres' "Liz in September", der auf Jane Chambers Theaterstück "Last Summer at Bluefish Cove" von 1980 basiert. Torres ("Women on Top") hat die Handlung in die Gegenwart und in ihr Heimatland Venezuela verlegt. Eine Gruppe lesbischer Frauen macht Urlaub in der Strandpension ihrer Freundin Margot. Sie wollen wie jedes Jahr den Geburtstag von Liz feiern, die sich selbst in der ersten Szene so vorstellt: "Ich wurde lesbisch geboren. So ist das nun mal. Durch meine Erfahrungen mit Frauen wurde ich noch lesbischer".

Eine Wette und jede Menge Drama

Sie und ihre Freundinnen verstecken sich nicht, weshalb die aufgrund einer Autopanne in der Pension strandende Eva (Eloísa Maturén) bald weiß, woran sie bei ihnen ist. Was die hübsche junge Frau allerdings nicht ahnt: Liz wettet mit Any (Arlette Torres), dass sie Eva innerhalb von drei Tagen ins Bett bekommt. Eigentlich ein prima Komödienstoff, doch schon früh kontrastiert Fina Torres die Urlaubsleichtigkeit vor traumhafter Strandkulisse mit dunklen Tönen. So hat Eva mit dem Tod ihres kleinen Sohnes zu kämpfen. Außerdem wird früh klar, dass Liz schwer krank ist. Trotzdem gibt sie weiter die vitale Womanizerin.

Patricia Velásquez spielt das in einer schönen Mischung aus Wildheit und Verletzlichkeit. Film-Debütantin Eloísa Maturén, eine ausgebildete Ballerina, bleibt dagegen ein wenig blass. Was an ihrer Eva so anziehend sein soll, erschließt sich nicht recht. Auch im letzten Viertel, wenn der Film immer stärker in Richtung Drama kippt und ihre Figur wichtiger wird, gewinnt sie kaum an Profil.

Das liegt allerdings auch daran, dass Torres sich nicht recht traut, dem Thema Sterben und Sterbebegleitung einen angemessen breiten Raum zu geben. Genauso halbherzig wie sie in Sachen Sex inszeniert, geht sie auch beim Tod zu Werke. Schade: Der leidenschaftlichen Liz hätte man ein bisschen mehr Regie-Leidenschaft gegönnt.

Dieser Text erscheint auf dem Queerspiegel, dem queeren Blog des Tagesspiegels. Themenanregungen und Kritik gern im Kommentarbereich etwas weiter unten auf dieser Seite oder per Email an:queer@tagesspiegel.de.

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