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Szene aus Monika Treuts Dokumentarfilm "Gendernauts - A Journey Through Shifting Identities" von 1999.

© TBM United Archives/Imago

Queer weiß das (23): Was haben Lesben gegen Trans-Männer?

Die Kolumne im Queerspiegel: Heteros fragen, Homos antworten. Heute mit einer Frage, warum einige lesbische Frauen ein Problem mit Trans-Männern haben.

Ich habe gehört, dass manche Lesben ein Problem mit Ex-Lesben haben, die jetzt als Transmänner leben. Das verstehe ich nicht. Sollen doch alle glücklich werden, wie sie wollen, oder? Johannes, Neukölln

Richtig, zumal man annehmen könnte, dass Angehörige einer Gruppe, die seit Langem um Anerkennung ringt, Verständnis für andere Minderheiten haben sollten. Doch es stimmt: Einige Lesben sehen Transmänner tatsächlich kritisch. Sie werfen ihnen quasi Verrat vor, weil sie sich durch die Transition in die privilegierte Genderkategorie des Mannes begeben und auch ins heterosexuelle Beziehungsmuster fallen. Denn ihr Begehren richtet sich ja weiterhin auf Frauen, wodurch sie nun als heterosexuell gelten.

Heute ist es einfacher als noch vor ein, zwei Jahrzehnten, eine Geschlechtsangleichung vornehmen zu lassen. Vor allem Butches – eher männlich auftretende Lesben – entscheiden sich für diesen Schritt.

"Erotische Trauer, feministische Wut"

Die Reaktion der lesbischen Szene hat die Publizistin Andrea Roedig auf „Zeit Online“ so beschrieben: „Bei den Lesben, zumindest bei denen einer bestimmten, mehr feministisch als queer geprägten Generation, löst der Trend zu Trans eine erotische Trauer aus und eine feministische Wut. Sie mögen nun mal Frauen, und jeder Transmann ist eine verlorene Butch. Die medizinisch-pharmakologisch unterstützte Vereindeutigung des Geschlechts bedeutet eine Reduzierung der Vielfalt spezifisch weiblicher Begehrensmuster. Und sie befördert eine Maskulinisierung, eine Aufwertung der Virilität gegenüber dem Weiblichen.“

Trans-Männer können nichts für Gender-Klischees

Menschen die Selbstdefinition ihrer Identität abzusprechen, weil man um die Butches trauert und „das Weibliche“ marginalisiert sieht, erscheint mir persönlich recht anmaßend. Eine Transition bedeutet ja nicht, sich mal eben ein neues Outfit zuzulegen. Es ist ein aufwendiger, schmerzhafter Prozess, den Transmänner auf sich nehmen, um in ihrem teils lebenslang gefühlten Geschlecht anzukommen. Er ist verbunden mit einem zweiten Coming-out. Zudem droht ihnen statt Homo- nun Transfeindlichkeit.

Auch der Vorwurf, dass Transmänner die binäre Geschlechterordnung stärken, ist unfair. Es ist schließlich nicht ihre Schuld, dass die Genderrepräsentation immer noch in relativ engen Parametern geschieht und jede/r sich innerhalb dieser bewegen muss, um als Mann/Frau zu gelten. Außerdem sind Transmenschen der beste Beweis dafür, dass Geschlecht eine soziale Konstruktion ist und keine rein biologische Tatsache. Es wäre schön, wenn sich lesbische Feministinnen dieser alten feministischen Erkenntnis besinnen würden. Mehr Solidarität statt Wut!

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Dieser Text erschien zunächst in der gedruckten Samstagsbeilage Mehr Berlin.

Haben Sie auch eine Frage an die Tagesspiegel-Homos? Dann schreiben Sie an: queer@tagesspiegel.de!

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