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Lesbischer Kuss in einem anonymen italienischen Film aus den Siebzigern.

© Imago

Queer weiß das (46): Fehlt Lesben beim Sex etwas?

Eine neue Folge unserer Kolumne Heteros fragen, Homos antworten. Diesmal geht es um die Frage, ob sich Lesben im Bett insgeheim nach einem Mann sehnen.

Neulich saß ich in einer Runde heterosexueller Männer, die sich über lesbischen Sex unterhielten. Alle waren sich sicher, dass den Frauen dabei eigentlich etwas fehlt, dass sie sich insgeheim nach einem Mann sehnen. Ist da was dran? Oliver, Prenzlauer Berg

Nein. Da ist überhaupt nichts dran. So offensichtlich absurd ich diese Frage finde, möchte ich doch die Gelegenheit nutzen, diesem offenbar weitverbreiteten Irrglauben entgegenzutreten. Die Vorstellung, dass Frauen, die miteinander schlafen, geheime Sehnsüchte nach Männern haben, spiegelt ein sexistisches Frauenbild, das Frauen als defizitäre Wesen sieht: Ohne Männer werden sie nie als vollwertig anerkannt, sie sind nicht ernst zu nehmen.

Dass sich Frauen selbst genügen, rührt offenbar an die männliche Angst vor der eigenen Überflüssigkeit. Manche Herren kränkt das in ihrer Eitelkeit, weshalb sie sich geheime Sehnsüchte lesbischer Frauen herbeifantasieren. Einen großen Anteil an diesem Irrglauben hat die Pornografie, deren Bildsprache teilweise bereits in Mainstream- und Arthouse-Filme eingewandert ist (zum Beispiel in „Blau ist eine warme Farbe“ oder „Die Taschendiebin“). Zwei oder mehr Frauen, die miteinander Sex haben – das ist eine klassische Männerfantasie, millionenfach inszeniert, oft von Männern für Männer, mit heterosexuellen Frauen als Darstellerinnen.

Fake-Lesben-Pornos setzen Hetero-Männerfantasien in Szene

Im Taschen Verlag ist kürzlich der von Dian Hanson zusammengestellte Fotoband „Lesbians for Men“ erschienen. Auf der Verlagswebsite wird er – etwas ungelenk, aber vielsagend – so beworben: „Wenn ein Mann zwei Frauen beim Sex sieht, dann stört kein anderer Mann das lustvolle Bild – es ist einfach nur alles, was ihm gefällt, in doppelter Ausführung da, und dass zwei so wilde Frauen ihn zum Mitmachen einladen würden, daran kann es ja wohl keinen Zweifel geben.“ Wer nun glaubt, durch den Konsum solcher auf den Geschmack von Heteromännern ausgerichteter Fake-Lesben-Pornografie irgendetwas über das Begehren oder den Sex lesbischer Frauen zu wissen, verfügt über die Medienkompetenz eines Vierjährigen.

Falls Ihre Bekannten nun noch eine Diskussion darüber beginnen wollen, dass Lesben doch beim Sex Dildos benutzen, auch dazu ein paar Hinweise: Wer solche Sextoys als Beweis für die angebliche Männersehnsucht von Lesben sieht, setzt Männer mit ihren Geschlechtsteilen gleich. Das ist ebenfalls sexistisch. Hilfreich ist hier ein Zitat der US-Autorin Susie Bright, die schon in den 80er Jahren schrieb: „Penetration is only as heterosexual as kissing is.“ Genau wie das Küssen gehöre die Penetration allen. So oder so: Wir vermissen keine Typen im Bett – deshalb sind wir ja Lesben. Glaubt’s einfach.

Folge 45: Haben Lesben und Schwule einen "Gaydar"?

Folge 44: Warum braucht ihr Homo-Fanclubs im Fußball?

Folge 43: Wie halten es Homosexuelle mit der Religion?

Folge 42: Gibt es keine wichtigeren Probleme als Unisex-WCs?

Folge 41: Was wünschen sich queere Menschen für 2017?

Folge 40: Wie feiern queere Menschen Weihnachten?

Folge 39: Darf man jemanden fragen, ob sie oder er lesbisch oder schwul ist?

Folge 38: Was finden Schwule an Sängerinnen wie Marianne Rosenberg?

Folge 37: Sollten homosexuelle Promis sich politisch engagieren?

Folge 36: Verliebt ihr euch manchmal in Heteros?

Dieser Text erschien zunächst in der gedruckten Sonnabendsbeilage Mehr Berlin.

Haben Sie auch eine Frage an die Tagesspiegel-Homos? Dann schreiben Sie an: queer@tagesspiegel.de!

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