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Die Ehe für alle kommt am 1. Oktober.

© Ralf Hirschberger/dpa-Zentralbild/dpa

Ratloses Standesamt: Kreuzberg hat ein Problem mit der Ehe für alle

In Friedrichshain-Kreuzberg können lesbische und schwule Paare noch keine Ehe für alle anmelden. Andere Bezirke sind weiter.

Manchmal zeigt sich das Leben nicht gerade von seiner romantischsten Seite. Dann kommt eben erst die Bezirksbürokratie und dann die Liebe. Das zumindest bekommen derzeit Timo Kerßenfischer und Christian Domagalla zu spüren. Nachdem das Gesetz zur „Ehe für alle“ endlich verabschiedet wurde und am ersten Oktober in Kraft treten soll, wollen die beiden ihre eingetragene Lebenspartnerschaft schnellstmöglich in eine Ehe umwandeln lassen. Gerne gleich am fünften Oktober, ihrem fünften Lebenspartnerschaftstag.

Das Problem? Das Standesamt in Friedrichshain-Kreuzberg nimmt noch keine Reservierungen von homosexuellen Paaren entgegen. Es sei aktuell „weder mit den notwendigen Informationen, noch mit dem technischen und rechtlichen Rüstzeug ausgestattet“, heißt es in einer Mail - und das, obwohl die Standesämter in Deutschland eigentlich wie berichtet die Anmeldungen seit Ende Juli entgegen nehmen sollen. "Warten Sie bitte auf eine Mail von uns, wie es weitergeht", bekam Kerßenfischer bereits vor anderthalb Wochen als Antwort.

"Sie erhalten eine Mail von uns"

Seitdem hat sich das Standesamt bei ihm nicht mehr gemeldet: "Still ruht der See. Das ist schon erstaunlich", sagt Kerßenfischer. Gerade war er in Hamburg, da seien Anmeldungen schon problemlos möglich. Er hätte sogar Verständnis, wenn das Standesamt Friedrichshain-Kreuzberg bis November einfach schon ausgebucht wäre. "Aber hier ist es ja anders: hier vergibt ein Standesamt dezidiert keine Termine für Schwule und Lesben. Und irgendwann melden die sich dann womöglich und sagen: Oh, tut uns leid, jetzt haben wir im Oktober schon alle Termine an andere Paare vergeben", befürchtet Kerßenfischer.

Er ist nicht der einzige, der in Friedrichshain-Kreuzberg beim Standesamt Probleme in Sachen Ehe für alle und Lebenspartnerschaft hat. Auch Tagesspiegel-Leser Thomas Barth bekam auf eine an sich einfache Frage keine Antwort. "Muss ein als eingetragene Partnerschaft registriertes Paar "heiraten", um seine Rechte als eingetragene Partnerschaft zu erhalten, oder gilt hier ein Bestandsrecht?", wollte Barth wissen. Auch hier lautete die Mailauskunft des Standesbeamten: "Ich habe Sie in meinem Verteiler aufgenommen, Sie erhalten eine Mail, sobald genaueres feststeht."

Dabei ist die Sachlage laut Lesben- und Schwulenverband klar: "Das Lebenspartnerschaftsgesetz wird ja durch das neue Gesetz zur Öffnung nicht aufgehoben oder ersetzt. Es gilt also weiterhin", sagt LSVD-Sprecher Markus Ulrich. Zu empfehlen sei eine Umwandlung der Lebenspartnerschaft in die Ehe dennoch, wenn man die erweiterten Rechte der Ehe genießen will - etwa das gemeinsame Adoptionsrecht. In der Wahrnehmung des LSVD sind die Standesämter sehr unterschiedlich aufgestellt, was die Ehe für alle angeht.

Die Amtschefin ist im Urlaub

Und woran liegt es, dass ausgerechnet in der grünen Hochburg Kreuzberg das Standesamt bei der Ehe für alle nicht weiterhelfen kann? "Die Amtschefin ist im Urlaub, spreche es mit ihr nächste Woche an...", twitterte Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) Ende vergangener Woche, nachdem eine Twitter-Userin sie dort angeschrieben hatte: "Geht da noch was, liebe Monika? Würde auch gerne aus dem "Verpartnerungstag" Ende Oktober einen Hochzeitstag machen."

Dass der Bezirk jetzt "mit Hochdruck" daran arbeitet, dass das Standesamt die nötigen Informationen bekommt, sagt auch Stadtrat Knut Mildner-Spindler (Linke).

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Andere Bezirke sind da schon weiter, wie eine Umfrage in einigen Tagesspiegel-Leute-Bezirksnewslettern ergab. Neukölln und Marzahn nehmen Anmeldungen schon entgegen. Beim Standesamt Pankow gibt es derzeit erst zwei Anfragen für eine Eheschließung. „Wir rechnen aber mit deutlich mehr“, sagte Bezirksstadtrat Vollrad Kuhn (Grüne) auf Anfrage.

Allerdings werde man nicht am Sonntag, 1. Oktober, wenn die ersten Eheschließungen theoretisch möglich werden, öffnen, da die Personaldecke einfach zu knapp ist. „Es ist absolut Land unter“, sagt Kuhn. Derzeit fehlten rund 50 Prozent der Mitarbeiter. Man versuche Sterbeurkunden und Geburtsurkunden vorzuziehen, Eheschließungen müssten hinten anstehen. Termine für Eheschließungen seien im Prinzip bis Ende Dezember nicht mehr zu haben.

Eine Sonderöffnung am 1. Oktober ist trotz des epochalen Einschnitts auch in Marzahn nicht vorgesehen, wie das Bezirksamt auf Nachfrage mitteilte. Das wiederum schließt Friedrichshain-Kreuzberg noch nicht komplett aus - wenn man denn erstmal das Standesamt insgesamt beim Thema Ehe für alle ins Bild gesetzt hat. Das Standesamt Treptow-Köpenick war indes in der vergangenen Woche während der Sprechzeiten mehrfach telefonisch überhaupt nicht zu erreichen.

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