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Berlin: Querpass zum Potsdamer Platz

Daniel Brühl spielt in „Der ganz große Traum“ Konrad Koch – jenen Mann, der den Fußball nach Deutschland brachte. Gestern war Premiere

Wer sagt denn, dass der rote Teppich immer nur rot sein muss? Leicht lassen sich Situationen vorstellen, in denen die gewohnte Farbe doch nur die zweitbeste wäre, beispielsweise zur Premiere eines Fußballfilms über die tintenblauen Jungs von Hertha BSC. Und ein Kinoabenteuer über die deutschen Anfänge des Kickens auf dem Rasen legt – das leuchtet umgehend ein – eine Auslegware in saftigem Grün nahe.

An diesem Dienstag war es so weit: Rot hatte Pause, Grün dürfte ran, allerdings wieder am gewohnten Ort, dem auf Premieren abonnierten Cinestar am Potsdamer Platz – diesmal Schauplatz der Gala zu Sebastian Groblers Kinodebüt „Der ganz große Traum“ über den Fußballpionier Konrad Koch. Der hatte 1874 als Lehrer am Braunschweiger Martino-Katharineum seinen Schülern einen Ball, eine noch recht plumpe Lederkugel, hingeworfen – die Initialzündung für den anfangs allerdings nur zögerlichen Triumphzug des aus England importierten Sports in Deutschland. Anfangs gab es erhebliche Widerstände gegen diese vermeintlich undeutschen Leibesübungen, in Bayern dauerte es sogar bis 1927, dass Fußball an Schulen gestattet war.

Solch ein Stoff lässt auch Prominente auf der Gästeliste auftauchen, die man auf Berliner Filmpremieren eher selten zu Gesicht bekommt, Leute wie DFB-Präsident Theo Zwanziger, Ex-Nationaltorwart Jens Lehmann und Oliver Bierhoff, Manager der deutschen Nationalmannschaft. Die richtige Ergänzung also für das Team um Regisseur Grobler und Hauptdarsteller Daniel Brühl, der am Premierentag eigens aus Barcelona angereist war – dem Heimatort seines Lieblingsvereins: Barça. Erwartet wurden weiter Burghart Klaußner (im Film der liberale Schuldirektor), Justus von Dohnanyi (erzreaktionärer Unternehmer), Jürgen Tonkel (Turnlehrer mit Exerzierplatzmethoden) sowie Adrian Moore, Theo Trebs und Till Valentin Winter (Schüler und bald auch dribbelstarke Mannschaftskameraden).

Hauptdrehorte waren Braunschweig und Wolfenbüttel, die Turnhallen-Szenen dagegen wurden in der um 1900 gebauten Halle der Hauptmann-von- Köpenick-Grundschule in Köpenick gedreht. Den verschwiegenen Park, in dem Koch mit seinen Schülern heimlich trainiert, fand man nahe Potsdam. Damit die Jungschauspieler am Ball überzeugend wirkten, hatte man Anouschka Bernhard engagiert, ehemalige Fußball-Nationalspielerin und derzeit Jugendkoordinatorin bei Hertha BSC. Und um sich den Unterricht zur Kaiserzeit vorstellen zu können, erhielten sie Nachhilfe im Berliner Schulmuseum.

Schon Konrad Koch hatte Beziehungen zu Berlin, studierte hier zeitweise, nicht Anglistik wie der Film-Lehrer, sondern Theologie und Philologie, brachte also nicht seinen Schülern das makellose „tee-aitsch“ bei, sondern Deutsch, Latein, Griechisch – wie ohnehin der Film mit der historischen Figur recht unbefangen umgeht. „Frei nach wahren Begebenheiten“ heißt es dann auch im Vorspann. Auf Brühl als möglichen Lehrer Koch waren Regisseur Grobler und Anatol Nitschke, einer der Produzenten, durch ein Interview aufmerksam geworden, das der Schauspieler 2009 gegeben hatte. Nahe Barcelona geboren, in Köln aufgewachsen – das legte seine Vereinsvorlieben fest. „Ein Problem hätte ich, wenn Barça gegen den 1. FC spielen würde“, bekannte er. Selber gespielt habe er nur in der Schule, nie im Verein. „Ich war immer zu schmächtig, nicht robust genug.“

Im Film kommt das Spiel der Braunschweiger Gymnasiasten 1874 einem modernen Fußballspiel schon recht nahe. Tatsächlich aber ähnelte das erste Fußballspiel in Deutschland noch mehr dem heutigen Rugby. Das galt auch für das erste Regelwerk, das Koch verfasste. Erst einige Jahre später korrigierte er dies und das bis dahin erlaubte Handspiel war nunmehr verpönt.

In Braunschweig erinnern heute zwei Gedenktafeln, in der Innenstadt und am Martino-Katharineum, an den Fußballpionier, der am 13. Februar 1846 in Braunschweig geboren wurde und dort im April 1911 starb. Auch der DFB nimmt den 165. Geburtstag seines Ahnherren zum Anlass, seiner feierlich zu gedenken.

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