zum Hauptinhalt
Nach Ernennung der neuen Senatoren stellte Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sein neues Regierungsteam vor. Mit einem Drittel Frauen.

© dapd

Quotendiskussion: Frauen an die Spitze: Senat hält eigene Vorgaben nicht ein

Frauenvertreterinnen der landeseigenen Unternehmen schlagen Alarm: Aufsichtsräte werden sukzessive mit Männern neu besetzt. Senatorin Dilek Kolat fordert: "Da müssen wir was machen."

Erst nach intensiver Suche haben SPD und CDU neben Dilek Kolat (SPD) als Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen zwei weitere Frauen für die Regierungsriege gefunden. Jetzt schlagen die Frauenvertreterinnen der landeseigenen Unternehmen Alarm. Nach dem Ausscheiden von Landesvertreterinnen werden Aufsichtsräte sukzessive mit Männern neu besetzt. Damit hebelt der Senat das 2010 novellierte Landesgleichstellungsgesetz aus, das eine geschlechtsparitätische Besetzung der Gremien vorschreibt.

Alle Frauenpolitiker der fünf Fraktionen fordern den Senat auf, das Gesetz einzuhalten. In Berlin müssten mehr Frauen in öffentliche Führungspositionen, sagt Senatorin Kolat. Zwar stehen mit Sigrid Nikutta und Vera Gäde-Butzlaff zwei Frauen an der Spitze der großen öffentlichen Betriebe und klassischen Männerdomänen BVG und BSR, Dagmar Reim führt als Intendantin den RBB, etliche Gerichte werden von Frauen geleitet, die Polizei wird derzeit kommissarisch von Margarete Koppers geführt – mit realistischer Aussicht, Berlins erste Polizeipräsidentin zu werden. Doch Kolat ist das zu wenig: „Da müssen wir was machen.“

Auch in der freien Wirtschaft sieht Kolat Handlungsbedarf. Damit ist sie sich einig mit IHK-Präsident Eric Schweitzer. Gemeinsam unterzeichneten die beiden am Mittwoch als erste die Erklärung „Frauen an die Spitze“. Mit dieser Initiative sollen Berliner Unternehmen motiviert werden, Frauen besser zu fördern und ihnen Karrieremöglichkeiten zu eröffnen. Laut Kolat sind in den größten Berliner Unternehmen rund neun Prozent der Führungskräfte und der Aufsichtsräte weiblich. Schweitzer wies darauf hin, dass die IHK Firmen unter anderem durch Coachings und Weiterbildungsprogramme unterstützen will.

Er verwies auf sein eigenes Unternehmen, die Entsorgungsfirma Alba, in dem 25 Prozent der Führungspositionen mit Frauen besetzt seien. In den landeseigenen Unternehmen liegt die Frauenquote in den Aufsichtsräten derzeit bei 42 Prozent, doch das wird nicht zu halten sein. Die ehemalige Staatssekretärin der Stadtentwicklungsverwaltung, Hella Dunger-Löper, wechselte in die Senatskanzlei und gab deshalb ihre Posten in mehreren Aufsichtsräten auf.

BVG, Gewobag, Wasserbetriebe: So ist die Situation hier

In den BVG-Aufsichtsrat rückte Staatssekretär Ephraim Gothe nach. Damit ist die Arbeitgeberseite mit drei Frauen und fünf Männern vertreten, die Arbeitnehmerseite weiter paritätisch. BVG-Sprecherin Petra Reetz sagt, der Senat sei der Vertragspartner der BVG und entsende einen selbst gewählten Vertreter aus der Verkehrsverwaltung. Der Frauenanteil unter den 10.455 Beschäftigten der BVG liegt bei 17,4 Prozent.

Staatssekretär Gothe hat auch den Aufsichtsratsposten in der landeseigenen Wohnungsgesellschaft Gewobag nach dem Ausscheiden von Staatssekretärin Maria Krautzberger übernommen. In dem neunköpfigen Aufsichtsrat sitzen derzeit drei Frauen und sechs Männer.

Ein weiteres Beispiel sind die Wasserbetriebe. Gothe sitzt auch dort im Aufsichtsrat. Den Vorsitz hat Wirtschaftssenatorin Sybille von Obernitz (parteilos, für CDU). Außer ihr gibt es auf Arbeitgeberseite neben sechs Männern nur noch eine weitere Frau. Die Arbeitnehmerseite ist mit fünf Männern und drei Frauen ebenfalls nicht paritätisch besetzt. Frauensenatorin Kolat sagt, es würden „alle Möglichkeiten“ genutzt, um Parität in den Aufsichtsräten zu erzielen. Sie werde prüfen, ob Gremien „erweitert“ werden oder ob Frauen auch auf Abteilungsleiterebene das Land in den Aufsichtsräten vertreten könnten.

Am Donnerstag beschäftigt sich auch das Parlament mit dem Thema. Evrim Baba (Linke) sieht eine „rückwärtsgewandte Politik“ des Senats. Anja Kofbinger (Grüne) sagt nur, das sei „das Letzte im Jahr 2012“. Berlin werde seinem Anspruch nicht mehr gerecht, sagen Ina Czyburra (SPD) und Katrin Vogel (CDU). Alle vier Frauenpolitikerinnen haben die „Berliner Erklärung“ unterzeichnet, die mehr Frauen in Führungspositionen fordert.

Auch Simon Kowalewski hat unterschrieben. Er ist bei den Piraten für Frauenpolitik zuständig. Dort könnte die parteiinterne Geschlechterdebatte neue Fahrt aufnehmen: „Sexismus ist ein Problem in der Piratenpartei“ – zu diesem Ergebnis kommen die Initiatoren einer parteiinternen Umfrage, die heute vorgestellt werden soll. 49 Prozent der befragten Piratinnen geben an, schon einmal mit sexistischen Sprüchen konfrontiert gewesen zu sein oder dies miterlebt zu haben.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false