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Berlin: Radfahrer überrollt – Freispruch

Gericht sah kein Verschulden des angeklagten Lkw-Fahrers

Der Berufskraftfahrer will gewissenhaft in die Rückspiegel gesehen und auch den Radweg beobachtet haben. „Da war niemand“, beteuerte der 43-Jährige vor dem Amtsgericht Tiergarten. Als er den Radfahrer bemerkte, war es zu spät. Beim Abbiegen hatte er den 60-jährigen Mann erfasst, überrollt und tödlich verletzt. Mehr als drei Jahre nach dem Unfall musste sich Mike G. gestern wegen fahrlässiger Tötung verantworten.

Der Angeklagte war am 13. Oktober 2003 mit einem 15 Meter langen und 40 Tonnen schweren Sattelzug unterwegs. Von der Spandauer Klosterstraße wollte er bei grüner Ampel rechts in den Brunsbütteler Damm abbiegen. Die Kreuzung gilt als gefährlich. G. sagte im Prozess, dass er mit seiner Zugmaschine vorsichtig vorgefahren sei, um mit seinem riesigen Fahrzeug abbiegen zu können. Das bestätigten später Zeugen.

Es ist ein Toter-Winkel-Fall. Ein technischer Sachverständiger hatte ihn im Auftrag des Gerichts rekonstruiert. Generell reiche in einer solchen Situation mit einem derart schweren Fahrzeug auch ein kurzes Anhalten nicht aus, erklärte der Gutachter. Ein Beifahrer wäre erforderlich. G. aber war allein im Fahrzeug. Für ihn wäre ein Blick aus dem Beifahrerfenster keine Lösung gewesen. Denn in der Zeit bis zur Rückkehr auf den Fahrersitz und dem Anfahren hätte ein Radfahrer kommen können.

„Der Lastwagenfahrer konnte den Radfahrer nicht sehen“, schätzte eine Augenzeugin des Unfalls ein. Sie, die damals im Pkw unterwegs war, will sich noch über das plötzliche Auftauchen des Radfahrers gewundert haben. „Der sieht doch den Sattelschlepper, warum bremst er denn nicht?“, will sie sich noch gefragt haben. Doch auch der Radfahrer soll nicht gerast sein. Er bog von einem Fahrradstellplatz auf den Radweg und sah das grüne Ampellicht.

„Wir können nicht ausschließen, dass der Radfahrer bei der Annäherung an die Kreuzung immer im toten Winkel des Lkw fuhr“, befand schließlich das Gericht. Mike G. sei langsam abgebogen. „Ich sehe kein Verschulden“, sagte der Vorsitzende Richter und verkündete einen Freispruch für den Kraftfahrer. Eine sichere Vermeidung solcher Unfälle gebe es nicht. Eine Lösung für einen solchen Sattelschlepper wäre ein Beifahrer. „Aber der ist vom Gesetzgeber nicht gefordert“, hieß es im Urteil.

Kerstin Gehrke

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