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Raed Saleh leitet im Berliner Abgeordnetenhaus die SPD-Fraktion.

© Maurizio Gambarini/dpa

Raed Saleh: Die Hausordnung ist einzuhalten

Der Berliner SPD-Fraktionschef Raed Saleh hat die Pegida-Hauptstadt Dresden besucht, um für sein neues Buch zu werben. Ein Ortstermin.

Ausgerechnet an diesem Tag ist von Pegida vor der Frauenkirche in Dresden nichts zu sehen. Für Raed Saleh, der dort am Montag sein Buch „Ich deutsch“ vorgestellt hat, wären Bilder von wutverzerrten Gesichtern und „Volksverräter“-Rufen vermutlich spektakulärer gewesen. Immerhin bewarb der Verlag die Veranstaltung mit dem Titel: „Kein Platz für Extremisten – Demokraten holen sich den öffentlichen Raum von Pegida & Co zurück". Die pöbeln lieber knapp einen Kilometer weiter bei Salehs Parteigenossen Heiko Maas, der über Hass im Netz redet. Also sitzen knapp 30 Interessierte im Schatten der Frauenkirche und lauschen bei Häppchen Salehs Forderung nach einer neuen Leitkultur: „Ich lade alle ein, gemeinsam die Grenzen der Gesellschaft neu zu definieren.“

Rechts- wie Linksextreme, aber auch Islamisten müssten diese Grenzen aufgezeigt und von der Gesellschaft isoliert werden. Der „linksgrüne“ Weg, die Menschen ohne Regeln „einfach machen zu lassen“, sei gescheitert. „Integration ist eine Aufgabe der ganzen Gesellschaft“, findet er. Und so definiert Saleh in einer Art Hausordnung Regeln für das Mehrfamilienhaus Deutschland. Regel Nummer eins, das moralische Fundament, für ein gemeinsames Zusammenleben in Deutschland leitet er aus der Religion ab: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Das moralische Fundament werde durch das Grundgesetz, dessen Achtung essenziell sei, ergänzt. Weiter fordert er von allen Menschen, die seine deutsche Leitkultur befolgen wollen, dass sie die deutsche Sprache sprechen. Sie sei zentral für das „Fortkommen, unsere Verständigung und den Frieden in unserem Land.“ Und weil Saleh Deutschland auch als Kulturland versteht, sind mit der deutschen Leitkultur auch Musiker, Literaten, Maler und Filmemacher gemeint: Auf Bach, Goethe und Dürer könne Deutschland zu Recht stolz sein. Saleh ist übrigens Fan des deutschen Schlagers.

Willy Brandts Sohn ist nur bedingt einverstanden

Überhaupt plädiert er für mehr Stolz in Deutschland. Er nennt das einen aufgeklärten modernen Patriotismus, den er auch in Anlehnung an den American Dream verstanden haben will. Seine Leitkultur würde ebenso ein Versprechen sein und den Menschen, auch Migranten, Hoffnung geben. Schließlich habe auch er, der mit fünf Jahren aus dem Westjordanland nach Deutschland gekommen ist, als Kind Orientierung in dem fremden Land gesucht und gefunden. Dafür bräuchte es aber Regeln, deren Missachtung unter Umständen bestraft werden müsse. Sei es Schulschwänzer konsequent mit der Polizei zu Hause abzuholen oder schwierige Jugendliche gemeinsam mit Beamten Streife laufen zu lassen.

All diese Forderungen hat man schon oft gehört. Zuletzt bei Thomas de Maizière, der ähnlich schlicht formulierte: „Wir sind nicht Burka.“ Und auch Friedrich Merz hat schon 2000 den Multikulturalismus als gescheitert betrachtet. Von beiden möchte sich Saleh abgrenzen und erklärt, seine Version der Leitkultur sei integrativ und würde alle Menschen gleich ihrer Herkunft oder Sexualität einbeziehen. Neuer Patriotismus, gescheiterter Multikulturalismus und dennoch Einwanderungsland. Das sind Themen, bei denen es von allen Seiten Kritik hageln wird. Deswegen ist es interessant, dass er sich Peter Brandt, Sohn von Willy Brandt, als Unterstützer geholt hat. Der möchte zwar lieber von einer europäischen Leitkultur reden, doch am Ende ist auch er „einverstanden“.

Tarek Barkouni

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