zum Hauptinhalt
Verfahrene Situation. Der viele Schnee überfordert manche Winterdienste. Rund 20 Zentimeter liegen schon, bis Dienstag sollen noch fünf bis zehn dazukommen.

© dpa

Räumfirmen: Winter legt Winterdienste lahm

Räumfirmen kündigen fristlos oder verlangen hohe Nachzahlungen. Ersatz ist kaum zu bekommen, eine Prozesslawine absehbar. In der Nacht zu Montag steht der nächste Großeinsatz bevor.

Was schon manche Grundstücksbesitzer schlecht schlafen lässt, ereilt jetzt die Behörden: die Kapitulation der Winterdienste. In Reinickendorf ist durch die fristlose Kündigung einer Räumfirma von einem Tag auf den anderen der Winterdienst für sämtliche bezirkseigenen Grundstücke abhanden gekommen. Teilweise betrifft die Kündigung auch Tempelhof-Schöneberg und Neukölln. Und das Problem könnte sich ausweiten, denn nach Tagesspiegel-Informationen haben auch zwei andere große Winterdienstleister mit Kündigung gedroht, sofern sie nicht bis zu 80 Prozent mehr Geld für ihre Arbeit erhalten.

Nach Auskunft des Reinickendorfer Wirtschaftsstadtrates Martin Lambert (CDU) hat das Bezirksamt der in Pankow ansässigen Firma am vergangenen Freitag eine Liste mit 200 festgestellten Mängeln geschickt und einen Mitarbeiter zum Rapport bestellt. Am Mittwoch sei dann die fristlose Kündigung der Firma eingegangen. Von dem Unternehmen war am Freitag keine Stellungnahme zu erhalten – ebenso wenig wie von den anderen, die mit Kündigung gedroht haben sollen. Möglicherweise hofft die Firma, durch die Kündigung billiger davonzukommen als durch die vielen Bußgelder.

Die Firma war übers Landesverwaltungsamt rekrutiert worden. Das hat nach Auskunft der Innenverwaltung die Kündigung zurückgewiesen und die Firma zur Erfüllung des Vertrages aufgefordert. Damit bahnt sich ein Rechtsstreit an, der aber das akute Problem nicht löst. Reinickendorf sucht nach Auskunft von Lambert händeringend Ersatz. Bei etwa 40 privaten Firmen sei man ebenso abgeblitzt wie bei der BSR. Als Notlösung helfen nun Hausmeister, Amtsmitarbeiter und Eltern von Schülern aus. Für besondere Gefahrenstellen will sich Lambert von Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Linke) eine Sondergenehmigung zum Salzstreuen holen.

Am Freitag hat Lompscher in einer Telefonkonferenz mit den Bezirken die Lage sondiert. Nächste Woche steht ein Krisengespräch mit Wirtschafts- und Eigentümerverbänden an. „Die Winterdienste können sich so nicht aus der Affäre ziehen, das ist Vertragsbruch“, heißt es in der Umweltverwaltung. Der Pankower Ordnungsstadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne), bei dem ebenfalls schon eine Kündigung gelandet ist, bestätigt: „Das ist ein Fall für unser Rechtsamt.“ Das Verhalten der Winterdienste verwundert ihn: „Abgesehen von der Räumpflicht an Parkscheinautomaten haben die gar keine neuen Aufgaben bekommen.“ Der wesentliche Unterschied ist aus Sicht von Kirchner, dass neuerdings viel genauer hingeschaut werde. Andere Verwaltungsleute vermuten, dass sich die Winterdienstfirmen einfach verzockt haben, indem sie wieder auf einen milden Winter spekulierten.

Die Industrie- und Handelskammer dagegen verweist auf den Mehraufwand durch die neu ins Gesetz gekommene Eisbeseitigung, die in alten Verträgen nicht eingepreist sei. „Wir finden, dass die Novelle zu kurzfristig kam“, sagt IHK-Sprecher Bernhard Schodrowski. Der Verband Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN) verlangte, die Novelle zurückzunehmen. Der Wohnunternehmerverband BBU forderte die Umweltverwaltung auf, gemeinsam mit Räumdiensten, BSR und Verbänden einen Notfallplan zu erarbeiten.

Privatleute fürchten zwar die Bußgelder, wenn ihr Winterdienst nicht nachkommt. Aber nach Ansicht des Verbandes Haus und Grund ist fraglich, ob die Strafen eingetrieben werden können: Wer nachweislich einen Winterdienst beauftragt habe, den treffe keine Schuld, wenn dieser versagt.

Der Wetterdienst Meteogroup erwartet schon für die Nacht zu Montag den nächsten Schnee. Damit steht auch der BSR der nächste Großeinsatz bevor. Die Salzvorräte für die Hauptstraßen werden nach Auskunft der BSR noch nicht knapp. Aber „ein paar Tage Tauwetter“ würden die Chance auf regelmäßigen Nachschub erhöhen. Doch eher als Tauwetter ist eine Prozesslawine in Sicht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false