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Die ehemalige Eisfabrik in Mitte ist mit Sicherheit eines der verkommensten und baufälligsten Gebäude der Stadt. 100 Meter neben dem Büropalast von Verdi steht die von Graffiti übersäte Fabrik direkt an der Spree.

© Jörn Hasselmann

Update

Räumung der maroden Eisfabrik: Obdachlose Wanderarbeiter ziehen in die Kirche

Die bulgarischen Wanderarbeiter aus der Eisfabrik in Mitte wollen Asyl in der St.-Michael-Gemeinde in Kreuzberg. Am Freitag räumte die Polizei die Ruine noch nicht. Samstag soll neu darüber entschieden werden.

Keine Räumung, keine Lösung, aber eine neue Lage. Die etwa 30 illegalen Bewohner der ehemaligen Eisfabrik in Mitte sind am Freitagnachmittag in die katholische Kirche St. Michael gezogen, um dort Kirchenasyl zu erbitten. Dies sagte ein Unterstützer der Bulgaren. Nach einer ersten Einschätzung im Bistum sei der Neubau in der Kreuzberger Waldemarstraße verhältnismäßig gut geeignet. Er sei beheizbar und habe Sanitärräume, sagte der Sprecher des Erzbistums, Stefan Förner. Der Pfarrer der Gemeinde sprach noch am Freitagabend mit den Menschen. Die Wanderarbeiter aus Bulgarien und Rumänien durften die Nacht zu Sonnabend in der Kirche bleiben, am Tage sollte dann aber eine Besprechung das weitere Vorgehen klären.

Im „Kirchenasyl“ nehmen die Kirchen zeitlich befristet eigentlich Flüchtlinge ohne legalen Aufenthaltsstatus auf, die Wohnungslosen stammen aber aus einem EU-Land. Nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“ leben bundesweit derzeit 66 Menschen in Kirchenasyl. Zu der von Bewohnern und Unterstützern befürchteten Räumung der Ruine am Morgen war es nicht gekommen. Dennoch formierten sich etwa 50 Menschen zu einer Demo und zogen zum Rathaus Mitte. Dort fand sich aber nach Angaben von Dirk Stegemann vom Unterstützerkreis kein Verantwortlicher zu einem Gespräch bereit.

Wie berichtet, hat der Eigentümer die Wohnungslosen über Weihnachten aufgefordert, das Gebäude zu verlassen. Denn vor einer Woche hatte das Verwaltungsgericht den Eigentümer der Eisfabrik dazu verpflichtet, „Gebäude und Grundstück gegen unbefugte Nutzer zu sichern“. Die Richter sahen „Gefahren für Leib und Leben“ für die Nutzer der Ruine, zu denen feiernde Jugendliche und eben Wanderarbeiter aus Bulgarien und Rumänien zählen. Diese wohnen seit Jahren in dem Haus, in den offenen Etagen haben sie sich aus Holz, Pappe und Blech kleine Verschläge und Hütten gebaut. Vertreter des Eigentümers ließen sich am Freitag nicht sehen, hieß es bei Unterstützern. Im Polizeipräsidium hieß es, dass es kein Räumungsbegehren des Eigentümers gebe. Laut den Unterstützern liegt jedoch eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs vor. Wie berichtet, steht die Ruine seit Jahren offen, den Eigentümer, eine Bochumer GmbH, kümmerte dies bislang nicht.

Auf dem Gehweg der Köpenicker Straßen warteten am Freitagmorgen der Leiter des Sozialamtes Mitte, Hermann Heil, mit Mitarbeitern auf die von der Räumung bedrohten Menschen. Die Fabrik betraten Heil und seine Leute nicht, weil es ein Privatgrundstück sei. Journalisten berichteten sie, dass der Bezirk die Kosten für eine Unterbringung in einem Obdachlosenheim bis zum 6. Januar übernehmen werde. Dies fanden die Bewohner nicht ausreichend, sie fordern „eine perspektivische Lösung“ für den Umgang mit EU-Bürgern über den 6. Januar hinaus. Das Verwaltungsgericht hatte festgestellt, dass für die Unterbringung der Bezirk zuständig sei, da sie durch Räumung „unfreiwillig obdachlos werden“. Bislang hatte der Bezirk argumentiert,er sei für EU-Bürger nicht zuständig. Jörn Hasselmann

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