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Rainer Hildebrandt: Kein Friede seiner Asche

Der Mann mit den weißen Haaren und gütigen Augen blickte von seinem Foto auch gestern durch die Glasscheiben der weißen Holzbaracke der U. S. Army am Checkpoint Charlie – Rainer Hildebrandt, der Gründer des Mauermuseums an der Kochstraße, ist auch sechs Jahre nach seinem Tod am 9. Januar 2004 auf diese öffentliche Weise präsent.

Das Porträt des 89-Jährigen schaut direkt auf sein Museum, daneben heißt es: „Er hat uns vieles an Aufgaben für die Zukunft mitgegeben. Sein letzter Wunsch war es, auf dem Friedhof Alt-Moabit in unmittelbarer Nähe von Albrecht Haushofer beerdigt zu werden.“ Dieser Wunsch bleibt auch sechs Jahre nach dem Tod des unermüdlichen Kämpfers gegen Unrecht und Tyrannei weiter unerfüllt. Die Witwe Alexandra Hildebrandt besteht darauf, dass die sterblichen Überreste ihres Mannes nahe dem Grab des Dichters, Wissenschaftlers und NS-Widerstandskämpfers Haushofer beigesetzt werden. Der ruht auf einem Friedhof an der Wilsnacker Straße, auf dem mehr als 200 Opfer der letzten Tage des Zweiten Weltkriegs bestattet sind, darunter zahlreiche politische Häftlinge aus dem Gefängnis Lehrter Straße.

Rainer Hildebrandts letzter Wille lautet: „Ich bestimme, daß ich in Berlin beerdigt werde, und zwar möglichst nahe bei Albrecht Haushofer.“ Das will der Senat aber nicht gestatten, denn der Moabiter Friedhof ist gewissermaßen geschlossen, seit sechzig Jahren wird hier niemand mehr bestattet. Und es soll keine Ausnahme geben: „Eine Zubettung auf dem ehemaligen Notfriedhof ist mit dem Status der Anlage nach dem Gräbergesetz nicht vereinbar und könnte die weitere Anwendung des Gräbergesetzes gefährden“, hieß es bereits 2004 beim Senat.

Den Vorschlag eines Ehrengrabes auf dem Friedhof Seestraße nahe den Opfern des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 lehnt Alexandra Hildebrandt ab und verweist auf den letzten Willen. So dreht sich alles im Kreis. Nachgiebigkeit ist nicht vorgesehen, auf keiner Seite, und Rainer Hildebrandt, der Sanfte, erlebt nur vom Himmel aus, wie sich um ihn die Paragrafen schlängeln und Prinzipien zu Tode geritten werden. Die Witwe, die das Museum ihres Mannes leitet und dort jährlich 700 000 Besucher begrüßt, ist gekränkt. Und die Urne mit der Asche wartet weiter im Krematorium Ruhleben – Monatsmiete: 20 Euro. Lothar Heinke

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