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Berlin: Randale mit Vorspiel

Wie türkische Jungmachos am 1. Mai Krawall provozierten

Von Frank Jansen

Die beiden Cliquen treffen sich am Mariannenplatz. Es ist 18 Uhr 30, auf den Stufen vor dem ehemaligen Bethanienkrankenhaus sammeln sich die Jungs mit den gegelten Haaren, den langen, nadelspitzen Koteletten, den Markenklamotten. Einige posieren mit verschränkten Armen, andere palavern. Die Gesichtszüge wirken entschlossen. Die vielen Besucher der Party auf dem Platz nehmen die Jugendlichen kaum wahr. Ein paar türkische Mütter, die mit kleinen Kindern auf den Bänken nahe den Stufen sitzen, blicken besorgt. Die da zusammenkommen sind vielleicht ihre Söhne, Neffen oder deren Freunde. Gegen 19 Uhr ziehen die Jungmachos ab. Ein Jugendlicher mit hellblauem Pulli hüpft an der Spitze hoch, animiert mit ausgestreckten Armen zum Weiterlaufen. In einer Marschsäule bahnen sich 100 Jungmachos den Weg durch die Feiernden, am Mariannenplatz vorbei zur Kreuzung Oranienstraße-Adalbertstraße. Dann kommt das Vorspiel. Zur verabredeten Randale.

Kreuzberg, am Abend des 1. Mai 2003. Länger als in den Jahren zuvor bleiben die Krawalle aus. Die Polizei lässt sich nicht blicken, Tausende tanzen, quatschen, trinken vor den vielen Bühnen. Doch die jungen Türken wollen action. Szenen einer Provokation.

Schon auf dem Weg zur Adalbertstraße ruft ein Jugendlicher „Steine schmeißen“. Aber erst muss noch etwas erledigt werden. An der Kreuzung steuert einer der Cliquenchefs auf zwei junge Türken zu. Plötzlich Geschrei, der Anführer reißt einen Jugendlichen zu Boden. Sofort treten und schlagen zehn Mann zu. Ärger in der Gang? Das Opfer wird in einen Hofeingang gezerrt. Die Tür schließt sich. Die Clique verteilt sich auf der Straße.

Eine halbe Stunde später. Der hellblaue Pulli ist wieder da und mit ihm die Meute, inzwischen 150 Türken. Sie laufen die Mariannenstraße hinunter, über die Skalitzer, zur Reichenberger. Aus den Gehwegen werden Pflastersteine gepopelt. Die Jungmachos wissen: In der Reichenberger, weit ab von der Maiparty, stehen Polizeiautos. Der hellblaue Pulli johlt, die Menge stürmt in die Reichenberger und schleudert die Steine. Es ist geschafft. Kein 1. Mai ohne Krawall.

Nach einigen Minuten kommt ein Trupp Polizisten. Die Türken rennen zurück zur Skalitzer. Die Beamten stammen aus Niedersachsen, sie tragen keine Schilde. „Jetzt passiert das, was wir nicht gewollt haben“, sagt der Truppführer. Auf der Mariannenstraße kippen die Türken einen Pkw um. Die Polizisten ziehen erstmal ab. Zwei Vermummte tanzen auf dem Kleinwagen. Ein abseits stehender, jüngerer Türke lächelt. „Das sind die Weddinger und die Kreuzberger“, sagt er über die Gangs. Aus Kreuzberg seien vor allem „die Naunyner“ gekommen, aus der gleichnamigen Straße. Nach und nach mischen ein paar Autonome, Punks und Dosenbierdeutsche mit. Um 20 Uhr30 brennen Autos in der Mariannenstraße. Eine Rauchsäule steigt auf. Die Gangs haben gesiegt.

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