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Berlin: Rasanter Retter

Vor 25 Jahren startete „Christoph 31“ in Steglitz zu seinem ersten Einsatz.

Mitten im Festakt schrillte das Alarmtelefon. Christoph 31, der Star der Veranstaltung zum 25-jährigen Bestehen von Berlins Luftrettung, stand am Sonntagvormittag bereits vor seinem Hangar am Benjamin-Franklin-Klinikum in Steglitz. Eigentlich als Anschauungsobjekt, denn drinnen in der Halle hatten sich die Ehrengäste und Redner versammelt, um ihn als „unverzichtbaren, schnellen Helfer aus der Luft“ zu loben. Doch kurz vor 12 Uhr startete der Helikopter unversehens zur Livedemonstration. Nach Lichterfelde wurde er gerufen, vermutlich zu einem Herzpatienten. Pilot, Notarzt und Rettungsassistent eilten zum Cockpit, Laub wirbelte, Rotorblätter knatterten vor den Scheiben des Hangars. Sozialstaatssekretär Michael Büge unterbrach seine Rede.

Es ist der 1839. Einsatz in diesem Jahr. Rund 2000 Mal hebt Christoph 31 alljährlich in Steglitz ab. Ein Rekord. Kein anderer bundesdeutscher ADAC-Rettungshubschrauber ist so häufig unterwegs. Insgesamt betreibt der ADAC in Deutschland fünfzig solcher Helikopter. Jeder heißt Christoph in Anlehnung an den Schutzpatron der Reisenden. Und jeder hat eine Nummer, um per Funk rasch erreichbar zu sein. Christoph 31 wurde im Oktober 1987 am Steglitzer Klinikum stationiert. Seither wechselten mehrfach die Modelle, die Nummer aber blieb. Außer am Franklin-Klinikum gibt es in Berlin noch einen zweiten Sanitätshubschrauber am Unfallkrankenhaus Marzahn. Dieser übernimmt in erster Linie schnelle Krankentransporte. Zur Ersten Hilfe startet fast ausschließlich Christoph 31.

Eberhard Diepgen, Regierender Bürgermeister a. D., und der frühere ADAC-Chef von Berlin, Wolf Wegener, erzählten am Sonntag: „Die Luftrettung in den 80er Jahren nach West-Berlin zu holen, war ein politischer Kraftakt.“ Obwohl sich die Hubschrauber in Westdeutschland längst bewährt hatten, ging es in Berlin hingegen weniger um Menschenrettung als um den Vier-Mächte- Status. Die Alliierten hatten die Lufthoheit, deutsches Fluggerät durfte nicht abheben. Also gab es einen Kompromiss: Christoph 31 bekam ein US-Kennzeichen. Weil Helikopter über der DDR untersagt waren, wurde die erste Maschine auf einem Tieflader nach Berlin gebracht. Und die Piloten hatten Anweisung, gebührenden Abstand zur Mauer zu halten.

Das ist für Markus Siebert (39), einen der drei heutigen Piloten, „eine absurde Vorstellung“, zumal Christoph 31 inzwischen auch nach Brandenburg gerufen wird. Seit einem Jahr steuert Siebert den gelben Steglitzer Eurocopter EC 135 im Wechsel mit Gary Mc Kinney und Ulrich Bannert. Jeweils von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Bei Dunkelheit hat Christoph 31 Nachtruhe, „dann kommen die Rettungswagen auf den Straßen ja schneller voran“, sagt Siebert. Tagsüber braucht das Helikopterteam beispielsweise von Steglitz zum Spandauer Lindenufer vier Minuten Flugzeit sowie drei weitere Minuten für Start- und Landung.

Der Mann im roten Overall mit der Aufschrift „Pilot“ am Rücken liebt seinen „Superjob“. Gelernt hat er bei der Luftwaffe, danach war er als Rettungspilot in den USA tätig, bevor er nach Steglitz kam. Oft wird der Helikopter zu Menschen mit akuten Herz-Kreislauf-Problemen alarmiert, aber in seiner Chronik findet man auch ungewöhnliche Einätze: Ein Forstarbeiter wird im Grunewald von 30 Wespen gestochen. Ein Patient wird mitsamt seiner von der Kreissäge abgetrennten Hand zum OP gebracht, wo ihm die Ärzte diese wieder annähen. Ein Kind überlebt einen Sturz aus der elften Etage – auch dank des schnellen Transportes und der Behandlungsmöglichkeiten im Helikopter. Die fliegende kleine Klinik ist genau so ausgestattet wie ein Notarztwagen.

Immer wieder müssen die Piloten auf engstem Raum zwischen Bäumen und Häusern herunterkommen. Wie schafft man das? „Diese Fliegerei ist noch ein faszinierendes Handwerk“, sagt Siebert. Der Rettungsassistent des Notarztes ist beim Flug Kopilot, hilft beim Navigieren. Und während Christoph 31 an Höhe verliert, Staub aufwirbelt, Schaulustige am Boden stehen, kann sich Siebert auf seine Erfahrung verlassen. „Du hast den 10-Meter-Radius des Rotors im Gefühl.“ Ein bisschen sei das wie beim Einparken mit dem Auto. Ernsthaft verunglückt ist bislang noch kein Berliner Rettungshubschrauber. Nur Baumäste gerieten in den Rotor – und einmal ein aufgeklappter Sonnenschirm. Der beschädigte leicht die Rotorblätter.

Bevor Christoph 31 erstmals offiziell an den Start ging, hob er zu Übungsflügen ab, so am 12. Oktober 1987. Damals brachte der Tagesspiegel ein Foto. Von einer Trainingslandung auf der Neuköllner Karl- Marx-Straße. Christoph Stollowsky

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