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Muss vermieden werden. Rüpel-Raser vor Schulen sind ein Risiko.

© Karsten John/dpa

Raser vor Schulen: Verkehrserziehung für Eltern jetzt!

In dieser Woche ging es wieder rasant zu vor Berlins Schulen. Wo Kindern Benehmen beigebracht werden soll, spielen sich Szenen ab, die selbst den autofreundlichsten Mobil-Experten an der Zivilisation zweifeln lassen. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Markus Mechnich

Montagmorgen vor der Schöneberger Schule meiner Tochter. Gleich am ersten Tag nach den Ferien hebt um kurz vor acht ein Hupkonzert an, das Maestro Karajan zur Freude gereicht hätte. Wobei gewisse Ähnlichkeiten zur Zwölftonmusik nicht von der Hand zu weisen sind.

Das morgendliche Hauen und Stechen beginnt schon an der Kreuzung auf der Martin-Luther-Straße. Linksabbiegen erfolgt zwei-, manchmal dreispurig. Bloß irgendwie noch rein in die Kreuzung, sei es bei Gelb oder sogar bei Rot. Auf dem Linksabbiegerbereich in der Mitte knäueln sich bis zu acht Fahrzeuge. Es geht zu wie in der Tokioter U-Bahn, bloß in Blech. Wer nicht schnell genug anfährt, wird angehupt. Sobald sich eine Lücke ergibt, wird reingeprescht. Verkehrsregeln? Sekundär! Freihalten der Kreuzung bei Stau? Unbekannt. Dem morgendlichen Rennen zur Schule darf nichts im Wege stehen, nicht mal die Straßenverkehrsordnung.

Nervös auf die Uhr schauend sitzen sie in ihren Blechkisten, während sich draußen im Minutentakt die anderen wilden Mr. oder Mrs. Hydes zurück in die braven Mr. oder Mrs. Jekylls verwandeln. Eben saßen sie noch zähnefletschend am Steuer, stets eine Hand drückbereit auf der Hupe. Und nun? Mutti oder Vati steigen aus, helfen dem Nachwuchs geduldig aus dem Auto und liebkosen ihn von Herzen. Sie küssen, scherzen, lachen – und all der Stress ist vorbei.

Proportional dazu und zur Bewegung des Zeigers Richtung Acht-Uhr-Grenze wächst der Stress in der Blechkolonne dahinter. Das Stakkato aus Beschleunigen, Abbremsen und Hupen steigert sich zum Grande Finale. Auf den Zufahrtsstraßen zur Schule wird es jetzt richtig gefährlich. In den letzten Minuten fällt fast jede Hemmung. Wer jetzt im Weg ist, dem hilft nur noch der liebe Gott. Vorne auf der Hauptverkehrsstraße wird nun konsequent bei Rot in die Kreuzung eingefahren und links abgebogen. Da kommt ein BVG-Bus – kann warten, sitzen ja nur Schüler drin. Vor dem Eingang gehen die Nerven durch, oft gibt es Streit auf offener Straße. Diese Woche wäre fast ein Kind samt Mutter vor den Augen eines Polizisten angefahren worden.

Regeln sind relativ sinnlos wenn die Einhaltung nicht überprüft und Fehlverhalten nicht bestraft wird. Das Geld liegt doch wirklich auf der Straße und muss lediglich eingesammelt werden.

schreibt NutzerIn Tiber5

Die Lösung: Der Nachwuchs müsste jeweils mit den Eltern eines Mitschülers zur Schule fahren

Apropos Polizei. Die ist durchaus anwesend. Und sogar regelmäßig, wenn auch mit Schwerpunkt zum Schuljahresanfang. Und der Beamte gibt sich alle Mühe, des Chaos Herr zu werden. Um das Gefahrengebiet allerdings wirklich zu beruhigen, bräuchte es eine Hundertschaft und eine hermetische Abriegelung zwischen 7.30 und 8.15 Uhr morgens. Das kann wohl nicht die Lösung sein. Was also tun? Autos rund um die Schule verbieten? Wohl nicht sehr realistisch, obwohl es wünschenswert wäre, wenn die Eltern samt Kinder mit dem Fahrrad oder zu Fuß kämen. Zufahrtsbeschränkungen mit Schranken? Verlagert den Stress nur auf die Hauptverkehrsstraße und gefährdet damit noch mehr Verkehrsteilnehmer. Gelbe und Rote Karten verteilen? Nicht mit dem Gesetz vereinbar. Meine Idee wäre ganz pragmatisch und sicher sehr wirkungsvoll: Kindertausch! Jeden Morgen muss der eigene Nachwuchs mit den Eltern eines Mitschülers oder einer Mitschülerin zur Schule gehen, radeln oder fahren. Ich würde wetten, bei mindestens 95 Prozent der Eltern gäbe es ein Umdenken, wenn sie wüssten, dass die eigenen Kinder da irgendwo unterwegs sind. Schließlich könnte man ja nie wissen, ob die Eltern von Schulfreundin Luisa oder Karl, die das eigene Kind heute bringen, einem vors Auto rennen.

Ganz nebenbei würde es die Eltern auch disziplinieren. Schließlich möchte man ja nicht, dass Klein-Sarah zu Hause erzählt, dass die Meyers morgens immer zu spät sind. Wenn dadurch jeder zehn Minuten mehr Zeit im Gepäck hätte, würde das allein schon die Situation vor dem Schuleingang gewaltig entschärfen. Nicht zuletzt kämen auch die verhätschelten Kinder durch die wechselnden „Leiheltern“ zumindest ab und zu auf dem Rad oder zu Fuß zur Schule, statt vom SUV direkt in die Eingangstür zu fallen.

Schade, dass das wohl nur ein Traum bleiben wird. So hören wir weiter Zwölftonmusik bis um acht. Ganz ehrlich: Hat mir damals in der Schule schon nicht gefallen.

Dieser Text erschien zunächst gedruckt als Rant in unserer Samstagsbeilage Mehr Berlin.

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