zum Hauptinhalt
rauchverbot

© David Heerde

Rauchverbot: Jetzt wird wieder gestritten

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Berlin muss seine Raucher-Regeln für Gaststätten überarbeiten. Eine Lockerung ist möglich, aber auch das Ende aller Ausnahmen.

Von

Striktes Rauchverbot in allen Berliner Gaststätten oder Ausnahmeregelungen für die Eckkneipen: Das Land Berlin hat nach dem gestrigen Urteil des Karlsruher Bundesverfassungsgerichtes die Wahl, sich für ein generelles Verbot zu entscheiden oder die sogenannten Einraum-Kneipen in die bisher geltenden Ausnahmeregelungen mit aufzunehmen. Schon unmittelbar nach dem Urteil wurde darüber in der Koalition heftig debattiert. Geht es nach der Senatsgesundheitsverwaltung, würde man „gern in Richtung keinerlei Ausnahmen“ diskutieren, sagte Staatssekretär Benjamin Hoff dem Tagesspiegel. Darüber wolle man erst in den Fraktionen sprechen. In den Fraktionen von SPD und Linken aber gibt es keine einheitliche Meinung, höchstens eine Tendenz gegen ein striktes Rauchverbot und für eine Ausnahmeregelung für Eckkneipen.

Nach der Sommerpause werde man darüber in der SPD-Fraktion diskutieren, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Christian Gaebler. Das Urteil sei eine „gute Klarstellung“ für den Gesetzgeber, der sich nun entscheiden müsse, welchen Weg er einschlagen wolle. Gaebler, der selbst eine Kneipe in Kreuzberg betreibt, wollte sich nicht dazu äußern, welche Möglichkeit er präferieren würde. Deutlich dagegen formulierte die SPD-Gesundheitspolitikerin Stefanie Winde, sie sei für ein striktes Rauchverbot in Gaststätten ohne Ausnahmen für Eckkneipen oder getrennte Raucherzimmer in größeren Gaststätten oder Diskotheken. Dem widersprach Jörg Stroedter, SPD-Abgeordneter und Sprecher des Arbeitskreises Wirtschaft: „Ein Rauchverbot ist wirtschaftlich nicht tragfähig.“ Den Einraumkneipen würde man damit „den Hahn abdrehen“.

Der amtierende Landeschef der Linken und Gesundheitspolitiker, Wolfgang Albers, betonte, das Bundesverfassungsgericht habe klargestellt, ein „konsequentes Rauchverbot“ sei auch ohne Ausnahmen möglich. „Wir werden aber beide Möglichkeiten prüfen“, sagte Albers. Sinn und Zweck des Gesetzes sei nach wie vor der Schutz vor dem Passivrauchen.

Die Grünen-Abgeordnete Heidi Kosche forderte die Koalition auf, auf getrennte Raucherräume in Gaststätten generell zu verzichten und sich für ein Rauchverbot auszusprechen. Das wäre in den Augen des FDP-Abgeordneten Kai Gersch dagegen ein „Skandal“. Er forderte die Ausnahmeregelungen zu erweitern und das Rauchen in deutlich gekennzeichneten Einraumkneipen zuzulassen. Das Bundesverfassungsgericht habe mit seiner Entscheidung ein „Zeichen der Ausgewogenheit“ für die Gastronomen gesetzt, sagte der CDU-Landeschef Ingo Schmitt. Mit dem Urteil habe sich das „starre Beharren des Senats“ in Luft aufgelöst. Auch die Industrie- und Handelskammer begrüßte das Urteil als „unternehmerfreundlich“. Klaus-Dieter Richter, Vorsitzender des Berliner Hotel- und Gaststättenverbands, freute sich ebenfalls über das Urteil: „Das ist genau das, was wir uns gewünscht haben. Die Wettbewerbsverzerrung ist ausgeräumt worden, Kleinbetriebe haben ihre Existenzberechtigung zurückbekommen.“

Die Einführung des Rauchverbots habe das langsame Kneipensterben in der Stadt noch verstärkt, sagt Richter. Über 60 Prozent aller gastronomischen Betriebe betrachteten ihre Existenz als „gefährdet“, 20 Prozent stünden kurz vor der Insolvenz. Richter rät seinen Kollegen, umzudenken und zu versuchen, neue Gästekreise zu erschließen.

Richter kann sich vorstellen, dass Wirte, die ihre Läden umgebaut haben, um Raucherbereiche abzutrennen, die Wände wieder einreißen, um wieder zur Einraumkneipe zu werden. Dafür muss der Gastraum nach dem Karlsruher Urteil kleiner als 75 Quadratmeter sein. Werden also bald auf den Partymeilen der Stadt Einraum-Raucherstübchen aus dem Boden sprießen? „Die Frage ist“, meint Richter, „wie lange die sich hielten“. Ende 2009, wenn eine abschließende Regelung gefunden sein muss, sei vielleicht alles wieder ganz anders. „Der Senat wünscht sich natürlich ein hundertprozentiges Rauchverbot, um allen Problemen aus dem Weg zu gehen. Wir wollen da aber im Gespräch bleiben, um eine Lockerung voranzutreiben.“

Nur geschätzte 600 von den etwa 3000 Berliner Einraumbetrieben sind Cafés, Bars oder Kneipen, also Läden, die vom Getränkeverkauf leben und die nun wieder Aschenbecher aufstellen dürfen. Richter würde sich wünschen, dass auch in den restlichen kleinen Restaurants und Imbissen das Rauchen wieder gestattet wird. „Die Gastronomie ist in der Stadt die stärkste wirtschaftliche Macht", sagt Richter. „Wir hoffen, dass der Senat das einsieht.“

Freuen können sich derweil die Wirte, gegen die wegen des Verstoßes gegen das Rauchergesetz aufgefallen sind. Die Bußgeldverfahren werden wohl eingestellt. Rund 25 davon sind anhängig. Allerdings betrifft dies nur Charlottenburg-Wilmersdorf und Friedrichshain-Kreuzberg – die einzigen Bezirke, die genug Personal für Kontrollgänge hatten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false