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Berlin: Raus aus der Isolation

Eine neue Studie belegt, dass Berlins Moscheevereine sich öffnen und zu einer politischen Kraft werden

Berlins Moscheevereine sind offener, transparenter und deutscher geworden. Die Muslime identifizieren sich zunehmend mit ihrer Stadt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die der Berliner Integrationsbeauftragte Günter Piening gestern vorgestellt hat. „Der Islam hat die Nische verlassen und ist zu einer nicht mehr wegzudenkenden gesellschaftspolitischen Kraft geworden“, sagte Piening. Die Vorgängerstudie kam 1998 zu dem Ergebnis, dass die „islamischen Gemeinden von der deutschen Mehrheitsgesellschaft weitgehend isoliert“ sind. In Berlin leben schätzungsweise 210 000 Muslime.

Für die neue Studie haben zwei Islamwissenschaftlerinnen der Humboldt-Universität 74 der 76 Berliner Moscheegemeinden besucht und 40 davon anhand eines Gesprächsleitfadens befragt. Thematisiert wurden das Verhältnis zur nichtmuslimischen Umwelt, die Strukturen innerhalb der Vereine, die Aktivitäten und die Rolle der Imame. Zwei Moscheen wollten sich nicht befragen lassen, eine jetzt verbotene Abspaltung des ausgewiesenen Kölner Fundamentalisten Metin Kaplan und eine indisch-pakistanische Gemeinde in Neukölln.

Knapp die Hälfte der Moscheevereine, vor allem die türkischsprachigen, sind in einem der vier Berliner Dachverbände organisiert. 90 Prozent der Moscheen gehören zum sunnitischen Islam, sieben, vor allem arabischsprachige, gehören zu den Schiiten, zwei zur liberalen Richtung der Aleviten und zwei zu den Ahmadiyyas. Bis auf eine Gemeinde befinden sich alle Moscheevereine im Westteil der Stadt. Die Hälfte der Berliner Moscheen wurde nach 1990 gegründet. Seit 1998 ist ihre Anzahl gleich geblieben. Die Größe der Gebetsräume schwankt von 65 bis 2500 Quadratmetern. Die Aufgabe der Moscheen hat sich verändert. Zur religiösen Funktion ist in vielen Gemeinden eine soziale hinzugekommen. Immer mehr übernehmen auch Bildungsaufgaben, geben Sprachunterricht, bieten Erziehungshilfen und gestalten mit Jugendlichen die Freizeit.

80 Prozent der Gebetshäuser gaben an, dass sie Kontakte zu öffentlichen Einrichtungen haben, zu Quartiersmanagern, Kirchengemeinden, zum Bezirksbürgermeister und zur Polizei. Bei jeder Polizeidirektion gibt es eine eigene Arbeitsgruppe, die im Austausch mit Moscheen steht. Die Beamten informieren darüber, was erlaubt ist und was nicht, und geben Rat etwa bei häuslicher Gewalt. Einige Moscheen arbeiten mit Volkshochschulen zusammen. Die Umfrage kommt außerdem zum Ergebnis, dass sich die Moscheevereine „professionalisiert“ haben. Arbeitsabläufe seien stärker strukturiert worden, es gebe viel mehr Ansprechpartner, die Deutsch können, auch unter den Imamen, und sogar Pressesprecher. Auch habe ein Generationswechsel stattgefunden, und es lasse sich ein „wachsendes Engagement von Musliminnen beobachten“. In einigen Moscheen seien Frauen im Vorstand.

„Ob die wachsende Professionalisierung der Gemeinden im Sinne der Mehrheitsgesellschaft ist, bleibt dahingestellt“, sagt Riem Spielhaus, eine der beiden Wissenschaftlerinnen, die die Studie erarbeitet haben. Wer sich gut auskennt mit deutschen Strukturen und Deutsch spricht, könne dies im positiven wie im negativen Sinn nutzen.

Am 3. Oktober laden Berlins Muslime zum Tag der offenen Moschee ein, darunter die Sehitlik-Moschee am Columbiadamm, die Bilal-Moschee in Wedding und die Mevlana-Moschee am Kottbusser Tor. Infos unter www.zentralrat.de/3659.php

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