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Benjamin Uphues hat seine „Teledisko“ auf dem RAW-Gelände in Friedrichshain aufgestellt.

© Mike Wolff

RAW-Gelände in Berlin-Friedrichshain: Total aufgedreht - in der kleinsten Disko der Welt

DJ, Lichtmeister, Türsteher: In der kleinsten Disko der Welt macht der Gast alles selbst. Ab sechs Leuten wird es kuschelig in der „Teledisko“.

Beinahe könnte man die kleinste Disko der Welt für eine stinknormale Telefonzelle halten und womöglich achtlos an ihr vorübergehen. Doch die Fenster sind verspiegelt und die Wände golden angesprüht. Wenn wie jetzt auch noch Nebelschwaden durch die geschlossene Tür wabern, Jubelschreie nach außen dringen und die ganze Kiste zu wackeln beginnt, bleibt auch der letzte Passant auf dem RAW-Gelände noch stehen und guckt, was da vor sich geht. Als sich zum Schluss des Reggae-Songs die Tür öffnet und mit dem restlichen Nebel vier Mädchen Anfang 20 nach draußen stolpern, hat sich eine kleine Menschentraube gebildet. Einige filmen die Szene mit ihrem Smartphone.

„Die kleinste und die feinste Disko der Welt“ nennt sie deren Erfinder Benjamin Uphues. Der 38-jährige selbsternannte Disko-König hat aus einer ausrangierten Telefonzelle die „Teledisko“ gemacht und sie an eine Mauer auf dem Friedrichshainer Kulturareal gestellt. Für zwei Euro kann man einen beliebigen Song über den Musikanbieter Spotify auswählen und dann die einen Quadratmeter große Tanzfläche stürmen. Uphues Faustregel lautet: „Alleine ist es langweilig, zu dritt ist genügend Platz für alle zum Tanzen, fünf ist die perfekte Zahl, alles über sechs wird eng und neun ist der Weltrekord.“ Dann müsse allerdings gestapelt werden.

Drei Minuten Party - und ein Video für zu Hause

Zwischen den mit gemusterter Tapete verzierten Wänden lassen sich mit verschieden leuchtenden Knöpfen zudem Diskokugel, Nebelmaschine, Stroboskop und Lichteffekte bedienen. Die Gäste der Teledisko sind also Türsteher, DJ und Meister über das Licht in einem. Uphues benennt den Zweck der kleinsten Disko der Welt so: „Sie ist da zum grenzenlos Spaß haben, Tanzen als ob’s kein morgen gibt und Ausflippen wie noch nie zuvor.“

Die vier jungen Frauen jedenfalls biegen sich vor Lachen nach ihrem Disko-Besuch. „Zur Bar haben wir es aber nicht geschafft“, rufen sie. „Auch die Toilette haben wir nicht gefunden.“ Eine der Freundinnen erzählt, als sie angekommen sei, sei sie ziemlich müde vom Tag gewesen. „Jetzt bin ich total aufgedreht, nach drei Minuten Spaß da drin.“

Für weitere zwei Euro spuckt die Teledisko zum Schluss wie beim Passbildautomat Fotos aus, um die die Freundinnen sich jetzt scharen. Noch mal zwei Euro investiert und sie können sich ein Video der Drei-Minuten-Party herunterladen. Während in den meisten Clubs Fotografieren strengstens verboten ist, gibt es hier was zum Mit-nach-Hause-nehmen.

Friedrichshainer Minimalismus.
Friedrichshainer Minimalismus.

© dpa

Eine weitere Teledisko steht auf dem Gelände des Kater Blau in der Holzmarktstraße. Das dritte Exemplar ist eine mobile Teledisko, die für Veranstaltungen gebucht werden kann. Benjamin Uphues ist damit auf Tour. Durchs ganze Land und sogar bis nach Paris ist die Teledisko bereits gereist. Dafür kommt ein Hänger hinten ans Auto dran – fertig ist der Tourbus. Gerade kommt Uphues mit dem Auto von einem Teledisko-Termin in Prag. Seinen Kombi hat er direkt neben der Disko geparkt, voll gepackt bis oben hin.

Mit 21 Jahren ging er vier Jahre auf Weltreise, danach kam er nach Berlin, wo er sich mit seiner ersten großen Miniatur-Idee selbstständig machte: dem kleinsten ferngesteuerten Auto der Welt. Dann wieder verschlug es ihn für sieben Jahre nach Kalifornien, wo er ein Dunkelrestaurant betrieb, in dem die Gäste in völliger Dunkelheit ihnen unbekannte Gerichte verzehrten. Zurück in Berlin lebte Uphues eine Weile von der Vermietung von Ferienwohnungen. Was auch immer es genau bedeutet, „am Puls der Zeit“ zu leben – Benjamin Uphues scheint genau das zu tun.

Alle wollen die Zelle zum Wackeln bringen

Die Idee zur Teledisko sei ihm durch verschiedene Inspirationsmomente im Nachtleben gekommen, sagt er. Auf einer Party in London etwa habe er sich auf der Tanzfläche plötzlich in einem engen Käfig wiedergefunden. „Irgendwann waren wir dort sieben, acht wildfremde Leute in dem Käfig, es war total eng. Eine bizarre Situation, die aber alle cool fanden.“ Dann sah er eines Tages, wie ein Witzbold in einer Telefonzelle ein Stroboskop-Licht montiert hatte – da war Uphues klar, wie er seine Idee zur kleinsten Disko der Welt angehen würde.

Aus der goldenen Zelle auf dem RAW-Gelände dröhnt jetzt ein Song der frühen Neunziger: „Killing in the Name“ von Rage Against the Machine. Nachdem die Teledisko erst einmal die Aufmerksamkeit der Passanten geweckt hat, wollen jetzt alle die Zelle zum Wackeln bringen. Auch die Backstreet Boys kommen zum Zug, dann wieder spielt mit Canned Heats „Going Up the Country“ ein eher gemächlicher Klassiker der späten Sechziger.

Ein Gast scheint nach seinem ersten Besuch in der Teledisko noch zu verarbeiten, was ihm da gerade wiederfahren ist. „Die Teledisko ist das Ursprünglichste, was zu einer Party gehört“, sagt er dann. „Du hast Strobo, du hast Nebel, du hast Mucke und deine Leute. Ein super Erfolgskonzept.“ Die Disko passe wunderbar als Ausgleich zur Konsumgesellschaft und all der Dauerhetze. „Du kannst halt einfach für zwei Euro drei Minuten Urlaub machen und mal kurz aus dem Alltag ausreißen.“ So geht Benjamin Uphues offenbar auch mit seiner kleinsten Disko der Welt ganz mit der Zeit. Er hofft, bald hauptberuflich als Disko-König leben zu können.

Weitere Informationen gibt es unter: www.teledisko.com

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