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Ganz schön leise. Diese neue Rangierlok im Talgo-Werk kann auch mit E-Antrieb fahren, dann ist sie auf den Gleisen kaum noch zu hören.

© promo

RAW-Gelände in Friedrichshain: Partylocation - und Werkstatt für exotische Züge

Auf dem RAW-Gelände ist zu später Stunde nicht nur Party. Dort werden Loks und Bahnwaggons gewartet – seit 150 Jahren. Nun rangiert dort eine topmoderne, leise Elektrolok.

Das RAW-Gelände an der Revaler Straße in Friedrichshain ist durch sein Szeneleben weithin bekannt. Nur wenige wissen, dass es dort noch viel mehr gibt: einen kleinen Industriebetrieb mit immerhin 115 Mitarbeitern – die Talgo Deutschland GmbH. Sie bessert dort Lokomotiven und Eisenbahnwagen aus. Als Nachfolger des vor 150 Jahren gegründeten Reichsbahnausbesserungswerks (RAW).

In alten Zeiten arbeiteten in den Hallen mehr als tausend Eisenbahner. Schon 1881 kümmerte man sich dort um Schlafwagen. Bis zur Elektrifizierung der S-Bahn wurden Stadtbahnwagen gewartet, die von Dampfloks gezogen wurden. 1917 wurden erstmals Frauen beschäftigt, wie der SPD-Abgeordnete – und Eisenbahnfan – Sven Heinemann weiß.

Nach der Wende war schnell alles vorbei. Das Werk wurde stillgelegt. Es traf sich dann gut, dass der spanische Eisenbahnhersteller Talgo mehrere seiner speziellen Züge mit WC und Dusche in den Abteilen für den Nachtzugeinsatz an die Deutsche Bahn verkaufte. Eingesetzt wurden sie im Berlin-Verkehr. Talgo gründete für die Wartung ein Werk – auf einem Teil des ehemaligen RAW-Geländes.

Nach nur 15 Jahren kam aber schon das Ende für den Talgo. Aber nicht für das Werk. Es fand neue Kunden – und verlor sie wieder. Etwa die Wartung von Schlafwagen für die Deutsche Bahn. Sie stellte den Nachtzug-Verkehr ein. Oder das private Unternehmen Locomore.

Noch immer ist die Deutsche Bahn der größte Auftraggeber. Vor allem, wenn „Bastelkunst für exotische Wagen“ erforderlich sei, wie der Berliner Bahnchef Alexander Kaczmarek sagt. Dazu gehören die Wagen des ehemaligen Metropolitan-Zuges oder die Schlafwagen der Österreichischen Bundesbahnen. Und selbstverständlich die Talgo-Garnituren der russischen Staatsbahn, die zwischen Berlin und Moskau fahren. Dass im Werk gearbeitet wird, auch nachts, gefällt nicht allen Anwohnern. Rangierfahrten mit lauten Lokomotiven haben schon zu Klagen vor Gericht geführt. Mit Auflagen durfte das Werk weiterarbeiten.

Jetzt wird es noch ruhiger. Das Werk hat für knapp zwei Millionen Euro eine neue Rangierlok gekauft, die elektrisch und mit Dieselantrieb fahren kann. Entwickelt hat sie das Unternehmen Alstom im sachsen-anhaltinischen Stendal. Fährt die Lok im Batteriemodus, ist sie fast nicht zu hören, wie die Unternehmen jetzt bei der Taufe des Fahrzeugs demonstrierten. Dass die Lok rund 50 Prozent weniger Diesel verbraucht als herkömmliche Fahrzeuge ist ein schöner Nebeneffekt.

Den Namen „e-sel“ für das Arbeitstier auf Schienen erfanden Schüler der Albrecht-von-Graefe-Schule, mit der das Werk zusammenarbeitet. Auch um Nachwuchs zu gewinnen. Die Geschäftsführer Stephan Korte und Andreas Netzel sind überzeugt, dass sie ihn brauchen werden. Das Werk soll weiter bestehen – in Nachbarschaft zum „neuen“ RAW. Und vielleicht auch einmal so bekannt werden.

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