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Berlin: Recht ist keine Glaubensfrage

Wie die deutsche Gesellschaft mit dem Moscheebau umgeht, können Juristen nicht klären

Von Ingeborg JungeReyer Seit die mögliche Genehmigung von Moscheebauten in einigen Bezirken in die öffentliche Diskussion gedrungen ist, werden Stimmen laut, die nach neuen Vorschriften und Veränderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen rufen. Es gibt schon ein weitreichendes Steuerungsinstrumentarium. Im demokratischen Rechtsstaat gilt der Grundsatz der Gleichbehandlung. Rechtliche Einschränkungen gelten für jeden Bauherrn. Kein Richter würde eine Verwaltungsentscheidung bestehen lassen, wenn deutlich wird, dass nicht wegen baulicher, sondern um der religiösen Absicht des Trägers willen entschieden wurde. Umgekehrt ist von Belang, dass die freie Religionsausübung unter besonderem Schutz steht.

Ein Eingriffsrecht des Senats würde bedeuten, dass der Senat bei Fragen von grundsätzlicher Bedeutung für die ganze Stadt Entscheidungen der Bezirke an sich ziehen kann. Durch ein Eingriffsrecht wird die Rechtslage gegenüber einem Antragsteller nicht verändert. Der Senat hat genau wie der Bezirk einem Bauantrag stattzugeben, wenn er sich im Rahmen der Vorschriften bewegt. Daher ist auch die Forderung nach einer generellen „Aufsicht“ des Senats über alle Moscheebauten nicht erforderlich – sie wäre überdies verfassungsrechtlich fragwürdig. Im Gegenteil: Bezirkliche Entscheidungsträger kennen die Situation vor Ort sehr gut.

Es muss grundsätzlich bezweifelt werden, ob Baurecht geeignet ist, den Kern der Frage zu erreichen, der bei der Auseinandersetzung um den Moscheebau eine Rolle spielt: unser Umgang mit den Menschen muslimischen Glaubens. Wie gehen wir damit um, dass die rund 200000 Muslime mehr darauf drängen, eigene Glaubenshäuser zu errichten? Es gibt schon über 70 Moscheen, die in der Regel nicht im Straßenbild sichtbar sind. Dass die Diskussion an Aktualität gewinnt, hat viele Ursachen: Die Angst vor dem Terrorismus, die wachsende Attraktivität des islamischen Glaubens für Migranten, die Diskussionen über das Tragen des Kopftuches. Daher kann man verstehen, dass die Vorstellung, Moscheen und damit der Islam könne eines Tages das Stadtbild dominieren, Ängste hervorruft. Dort, wo der Verdacht besteht, islamische Vereinigungen betätigen sich unter dem Deckmantel der Religion als Akteure radikaler und gewaltbereiter islamistischer Netzwerke, hat der Staat auch zu handeln. Dies ist ein Thema der Inneren Sicherheit, das nicht mit Baurecht zu lösen ist. Bei dieser Frage weiß ich mich in voller Übereinstimmung mit Innensenator Dr. Erhart Körting.

Die Auseinandersetzung darüber, wie die deutsche Gesellschaft mit dem Willen der muslimischen Organisationen umgeht, Gebetshäuser zu errichten wie auch die Kopftuchdiskussion, sind keine Fachfragen für Juristen und Bauleute. An ihnen entscheidet sich vielmehr, wie wir Integration in schwierigen Zeiten verstehen.

Ingeborg Junge-Reyer (SPD) ist Berlins Senatorin für Stadtentwicklung.

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