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Berlin: Recht und Gesetz: "Kein Sonderrecht für Rechtsextreme"

Die Richter haben in der letzten Zeit viel Kritik einstecken müssen: Wenn es um Neonazi-Aufmärsche am Brandenburger Tor ging, die Sittenwidrigkeit der Prostitution oder die Parteienfinanzierung der CDU. Einen Grund zur Reue sieht der Präsident des Berliner Oberverwaltungsgerichts (OVG) nicht.

Die Richter haben in der letzten Zeit viel Kritik einstecken müssen: Wenn es um Neonazi-Aufmärsche am Brandenburger Tor ging, die Sittenwidrigkeit der Prostitution oder die Parteienfinanzierung der CDU. Einen Grund zur Reue sieht der Präsident des Berliner Oberverwaltungsgerichts (OVG) nicht. "Wir müssen nach Recht und Gesetz entscheiden und nicht danach, was politisch oder moralisch wünschenswert wäre", sagt Detlef Bitzer.

Er hatte in die Kirchstraße geladen, um eine Bilanz zu ziehen, einen Ausblick zu wagen - und die Berliner Rechtsprechung zu rechten Aufmärschen zu verteidigen. "Es gibt kein Sonderrecht für extreme Gruppierungen", sagte der OVG-Präsident. Das Oberverwaltungsgericht hatte in den vergangenen Jahren mehrmals ein Verbot von Demonstrationen der NPD durch Berlins Polizeipräsidenten aufgehoben und solche Aufmärsche - zum Teil unter Auflagen - für zulässig erklärt. Deshalb konnten Neonazis durch das Brandenburger Tor marschieren.

Bitzer sagte, dass es im deutschen Versammlungsrecht "kein Gesinnungsrecht" gebe. Der Inhalt solcher Veranstaltungen sei für die richterliche Entscheidung ohne Belang. Rechtsextreme Aufzüge könnten nur verboten werden, wenn die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet sei. Möglich sei es allerdings, wie in der Vergangenheit wiederholt geschehen, Auflagen zu erteilen. Dazu zähle beispielsweise das Verbot eines "aggressiv-kämpferischen Erscheinungsbildes" oder bestimmter Routen der Demonstration. Auch geplanten Rednern könne auf Grund ihrer bekannten Vergangenheit ein Auftritt verwehrt werden.

In seiner Bilanz hatte Bitzer dann auch Positives zu vermelden: Die Zahl der unerledigten Verfahren der Berliner Verwaltungsgerichtsbarkeit ist im vergangenen Jahr zurückgegangen. Zum Jahresende verzeichnete das OVG einen unerledigten Restbestand von 731 Hauptsachen und 338 Eilverfahren.

Beim Verwaltungsgericht (VG) konnte die Zahl der noch nicht entschiedenen Verfahren zum Jahresende 2000 um rund 1600 auf 28 500 abgebaut werden. Die Zahl der erledigten Verfahren pro Richter sei dabei im Bundesvergleich "weiterhin überdurchschnittlich hoch". Die durchschnittliche Dauer der Hauptsacheverfahren am OVG betrug nach Angaben Bitzers im vergangenen Jahr 14 Monate und "hält sich damit im Rahmen des noch Vertretbaren".

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Beim OVG und VG stehen auch in diesem Jahr noch einige brisante Entscheidungen an: Im Juli will das Verfassungsgericht beispielsweise die Klage von Altkanzler Helmut Kohl gegen die Veröffentlichung von Stasi-Abhörprotokollen verhandeln. Entschieden wird auch der Fall, bei dem sich zwei Sat 1-Mitarbeiter gegen ein vom Bundestagspräsidenten verhängtes Hausverbot wenden, das nach einem Bericht über Kokainspuren in Toiletten des Bundestages ausgesprochen wurde. Außerdem haben mehrere Brauereien und Großmärkte Beschwerde gegen das geplante Dosenpfand eingelegt.

Beim OVG geht der Streit ums "Café Psst!" in die zweite Runde. Das Gericht muss entscheiden, ob Prostitution, die von Erwachsenen freiwillig und ohne kriminelle Begleiterscheinungen ausgeübt wird, nicht (mehr) als sittenwidrig anzusehen ist. Und im so genannten Novumverfahren geht es um 450 Millionen Mark, die von der Nachfolgerin der Treuhandanstalt beansprucht werden.

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