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RECHTE PROPAGANDA Wie Präventionsarbeit gegen Nazi-Hetze funktionieren kann: NPD darf Schülerzeitung nicht mehr vertreiben

Grüne erwirken einstweilige Verfügung beim Landgericht Jusos planen eigenes Blatt. Viele Jugendliche warfen rechtsextremes Heft weg

Die Verteilung der NPD-Schülerzeitung „Stachel“ stößt auf Widerstand. Die Berliner Grünen erwirkten gestern beim Landgericht eine einstweilige Verfügung gegen die Verwendung des Titels „Stachel“ durch die rechtsextreme Partei. Seit vielen Jahren geben die Grünen ein Mitteilungsblatt heraus, das ebenfalls „Stachel“ heißt. Die NPD darf nun in Berlin und Brandenburg das Blatt nicht mehr vertreiben. Der Richterbeschluss sollte der Partei noch gestern per Gerichtsvollzieher zugestellt werden. Die NPD prüft nun rechtliche Schritte, sie wollte zumindest in Berlin noch 4000 Exemplare der Schülerzeitung verteilen.

Die Jusos verkündeten gestern, sie wollten gemeinsam mit Jugendverbänden von Gewerkschaften und anderen Parteien der NPD eine Antwort geben – ebenfalls in Form einer Schülerzeitung. Sie soll schon in den nächsten Tagen erscheinen. Die Auflage werde mit 50 000 Exemplaren mehr als doppelt so hoch sein wie die des NPD-Blatts „Stachel“, sagte ein Juso-Sprecher. Die NPD hat nach eigenen Angaben 20 000 Exemplare ihrer Zeitung produziert, mehrere tausend sollen bereits in Berlin und Brandenburg verteilt worden sein.

In Berlin war unter anderem, wie berichtet, die Tagore-Schule in Marzahn betroffen. Schüler und Lehrer des Gymnasiums berichteten allerdings, die NPD-Aktion habe keine große Wirkung gezeigt. „Ich habe die eingesteckt, aber gar nicht angesehen“, sagte gestern vor dem Eingang eine Schülerin aus der zwölften Jahrgangsstufe dem Tagesspiegel. Nur wenige Schritte weiter hätten am Montagmorgen vor Schulbeginn die NPD-Leute, zwei Männer und eine Frau, gestanden und Jugendlichen den „Stachel“ in die Hand gedrückt. „Die sahen ganz harmlos aus und waren zwischen 30 und 40 Jahre alt“, sagte eine weitere Schülerin aus dem zwölften Jahrgang. Die meisten Schüler hätten die Zeitung weggeworfen. Der Schülersprecher habe einen ganzen Stapel eingesammelt und gleich entsorgt.

Der NPD-Auftritt dauerte nicht lange. „Als ein Schüler mit einer Ausgabe zu uns kam, sind wir gleich raus. Da war aber niemand von der NPD mehr da“, sagte Schulleiterin Petra Varga. Viele Schüler hätten von der NPD-Aktion nichts mitbekommen. Einige meldeten sich bei ihren Lehrern. „Sie haben mich gefragt, ob wir darüber im Unterricht reden könnten“, sagte die Lehrerin einer achten Klasse. Die Frau will das Thema in der nächsten Sozialkundestunde ansprechen. Die NPD ist auch Thema im normalen Unterrichtsablauf. „Letztes Jahr haben wir darüber gesprochen, wie die NPD Leute für sich gewinnen will“, sagte eine Schülerin einer elften Klasse.

Auch an der Graf-von-Arco Oberschule in Nauen verteilten Rechtsextremisten das Hetzblatt erst nach Unterrichtsschluss. Rektor Jürgen Beyer sah sich das Blatt an: „Der Inhalt könnte verfassungsfeindlich sein.“ Beyer informierte das Schulamt, zudem soll an der Oberschule im Geschichtsunterricht über die NPD-Zeitung gesprochen werden. In Nauen waren die Rechten penetranter als in Berlin und blieben trotz des Protests mehrerer Lehrer vor der Schule stehen.

Unterdessen setzte die NPD gestern vormittag die Verteilung des Blattes in Brandenburg fort. In Cottbus zogen Rechtsextreme zu drei Schulen. Beim Heinrich-Heine-Gymnasium wagten sie sich auf das Gelände, folgten dann aber dem Verweis des Hausmeisters.

Johannes Boie[Frank Jansen], Matthias Jekosch

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