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Berlin: Rechtfertigung vor der Naschkatze

Wir liegen auf dem Sofa, Frau Hoffmann und ich. Ich lese Zeitungen, sie wärmt meine Füße.

Wir liegen auf dem Sofa, Frau Hoffmann und ich. Ich lese Zeitungen, sie wärmt meine Füße. Eine Idylle. Wären da nicht diese beunruhigenden Nachrichten! Zum Beispiel über den neuen Kultursenator von Berlin. Er gehört der PDS an.

„Und was bedeutet das?", fragt die Katze.

„Nichts Gutes", sage ich, die BZ zitierend.

„Hat er was gegen Katzen?"

„In der Politik dreht sich nicht alles um euch", tadele ich ihre Egozentrik.

„Wahrscheinlich fördert er Hunde und Radfahrer."

„Radfahrer werden bereits von den Grünen protegiert. Was hast du gegen Radfahrer?"

„Wo ein Radler radelt, ist der Hund nicht fern."

Wahrscheinlich wieder so ein Merkspruch von Old Possum, ihrem Guru. Gehört in die gleiche Kategorie wie „Wo ein Penner pennt, schnarchen drei Hunde".

„Es wäre schon verdienstvoll, wenn er etwas gegen die Ampeln unternähme."

„Du meinst rot-gelb-grün?"

„Nein. Ich meine diese steinzeitlichen Ampelkreuzungen wie da vorne am Potsdamer Platz, die sogar in der Provinz durch Kreisel ersetzt werden."

„Werden die auch von Radlern benutzt?"

Typisch Katze. Sieht die Welt durch die Antihundebrille. Wie die FAZ. Deren Hund heißt Schröder.

„Hier", sage ich und decke sie mit einer Doppelseite zu, „steht alles, was du über Hunde wissen willst."

Sie springt beleidigt vom Sofa. Die Doppelseite schwebt zu Boden. Unten auf der Straße heulen Polizeisirenen.

„Warum jaulen die so laut?"

„Wahrscheinlich wird ein Staatssekretär zum Frühstück gefahren."

„Sie jaulen aber auch am späten Nachmittag!"

„Dann wird er wohl wieder abgeholt."

„Wirst du auch abgeholt, wenn du frühstückst?"

Diese neugierige Katze weiß ganz genau, dass ich nie frühstücke. Außerdem nehme ich ein Taxi, wenn ich mehr trinke als eine Tasse Kakao. „Was willst du noch wissen?", frage ich entnervt, „die Fütterungszeiten im Zoo? Hier: Eisbären 10 Uhr 30; Affenhaus 11 Uhr, 14 Uhr, 15 Uhr 30; Flusspferde 14 Uhr; Raubtiere 15 Uhr 30 (außer montags); Krokodile 15 Uhr 30 (nur montags)."

Sie sieht mich ungläubig an. „Heißt das, die Affen kriegen dreimal täglich was zu fressen und die Krokodile nur einmal in der Woche?"

„Sei froh: Krokodile fressen Katzen!"

„Und werden mit Sirenengeheul zum Frühstück gefahren, nicht wahr?"

Jetzt verwechselt sie Krokodile mit Staatsdienern. Nur gut, dass ich die Elefanten verschwiegen habe, die werden um 16 Uhr im Tierpark Friedrichsfelde gefüttert. Täglich, und warum das so ist, weiß ich nicht. Draußen heult wieder eine Sirene.

„Das müssen die Affen sein!", maunzt sie und rennt aufgeregt zum Fenster. „Es ist kurz vor elf, die kriegen jetzt Bananen."

„Oder Erdnüsse", sage ich überflüssigerweise; denn sie mag beides nicht. Sie ist überhaupt außerordentlich wählerisch. Ein Wunder, dass sie unter meinen Händen nicht längst verhungert ist. Eine bestimmte, teure Sorte Brekkies aus dem Reformhaus akzeptiert sie, sonst nichts. Keine Milch, keine Sahne, kein Riesling, nur Wasser. Als ich ihr ihren elitären Geschmack vorhalte, sagt sie cool: „Und wie weit fährst du für dein geliebtes Poilâne Brot?" Von hier nur zehn Minuten zu Fuß, könnte ich ihr entgegenhalten, dann bin ich im Lafayette. Aber ich schweige. Habe ich es nötig, mich vor einer Naschkatze zu rechtfertigen?

Fortsetzung nächste Woche

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