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Berlin: Rechtsextremismus: Wer steigt in Schilys Aussteigerprogramm ein?

Große Ratlosigkeit beherrschte gestern eine Berliner Debatte um das von Bundesinnenminister Otto Schily angekündigte Aussteigerprogramm für Rechtsextremisten. Berlin wolle "mehr als nur symbolische Aktionen starten", sagte die neue Chefin des Berliner Verfassungsschutzes, Claudia Schmid, im Verfassungsschutzaussschuss des Abgeordnetenhauses.

Große Ratlosigkeit beherrschte gestern eine Berliner Debatte um das von Bundesinnenminister Otto Schily angekündigte Aussteigerprogramm für Rechtsextremisten. Berlin wolle "mehr als nur symbolische Aktionen starten", sagte die neue Chefin des Berliner Verfassungsschutzes, Claudia Schmid, im Verfassungsschutzaussschuss des Abgeordnetenhauses. Die SPD-Fraktion hatte das Aussteigerprogramm gestern kurzfristig auf die Tagesordnung des Ausschusses setzen lassen.

Innensenator Eckart Werthebach bekannte, dass er - wie auch andere Länderkollegen - die Ankündigung Schilys während der Innenministertagung "mit Erstaunen zur Kenntnis genommen" habe. Größtenteils handele es sich dabei um eine "Absichtserklärung ohne Konzepte". Kritisch merkte Werthebach an, das Aussteigerprogramm für RAF-Terroristen aus den achtziger Jahren könne nicht einfach auf den Bereich des Rechtsextremismus übertragen werden. Damalige Aktivisten der Roten Armee Fraktion bildeten in sich abgeschlossene konspirative Gruppen. Rechtsextremisten hätten nicht diesen Organisationsgrad. Die Vorschläge des Bundesamtes für Verfassungschutz (BfV) müssten zunächst einmal in den Ländern geprüft werden.

Claudia Schmid will beim Aussteigerprogramm zweigleisig verfahren. In einer "aktiven Komponente" müssten Führungspersonen der rechten Szene direkt angesprochen werden, und zwar in erster Linie über das Kölner Bundesamt. Die vom Bundesinnenministerium in Aussicht gestellten Ausstiegshilfen von bis zu 100 000 Mark wären dann keinesfalls von Berlin zu zahlen. Schmid stellte klar, dass der Berliner Verfassungsschutz dem BfV hier wohl allenfalls "Hilfestellung" leisten könne. Die Aufgabe ihres Amtes sehe sie eher in einer "passiven Komponente". Gedacht sei an ein Info-Telefon, über das sich Mitläufer der rechten Szene an den Verfassungsschutz wenden könnten und dann von dort "betreut" würden. Bereits in Berlin bestehende Initiativen wie das Aussteigerprogramm für Rechtsextremisten "Exit" des früheren Polizisten Bernd Wagner, sollen einbezogen werden.

Anzeichen für das Entstehen rechtsextremer Terrororganisationen in Deutschland hätten die Verfassungsschutzämter bisher nicht feststellen können. Besorgnis erregend seien aber die zunehmenden Waffenfunde in der rechten Szene, sagte Schmid. Werthebach sieht Erfolgsaussichten darin, dass die rechte Szene "ideologisch nicht so gefestigt ist wie seinerzeit die RAF".

Unter besonderer Beobachtung des Verfassungsschutzes steht momentan die links-autonome Szene. In Berlin sollen 150 bis 200 militante Autonome auf die Ende März erwarteten Proteste gegen die neuen Castor-Transporte vorbereiten. Hierzu werde im Internet zu einem "Anti-Atom-Triathlon" mit "Wurfankerweitwurf, Barrikadenbau und Schienensägen" mobilisiert.

Wenig Glück hatte der Ausschuss mit seiner Vertrauensperson, die künftig bei Pannen und Skandalen des Berliner Verfassungsschutzes im Auftrag der Abgeordneten Akten sichten und für Aufklärung sorgen soll. Auf Vorschlag von CDU und SPD sollte hierzu gestern der frühere Leiter des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes, Fritz-Achim Baumann, gewählt werden. Überraschend hat Baumann seine Kandidatur jedoch vor zwei Tagen zurückgezogen. In einem Vierzeiler an den Ausschuss macht er "gesundheitliche Gründe" geltend.

Otto Diederichs

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