zum Hauptinhalt

Berlin: Reden und verarbeiten

Das Geiseldrama in der Schule in Beslan bewegt Kinder und Jugendliche in aller Welt. Auch in Berlin. Wie Lehrer das Geschehen heute im Unterricht behandeln wollen

Die schrecklichen Bilder von Beslan haben auch die meisten Berliner Schulkinder gesehen. Sie zu verarbeiten, kann für viele schwierig sein. Deswegen wird das blutige Geiseldrama heute auch im Unterricht an den Schulen ein Thema sein. „Ich bin überzeugt davon, dass die Berliner Lehrer das Thema sensibel behandeln werden“, sagte gestern Bildungssenator Klaus Böger. Er gehe zudem davon aus, dass mit den älteren Schülern über die politischen Hintergründe gesprochen wird.

Wie Bögers Sprecherin Rita Hermanns sagte, mussten Pädagogen seit dem 11. September immer wieder mit ihren Schülern über die verheerenden Folgen von terroristischen Anschlägen reden. „Sie haben inzwischen große Erfahrungen“, sagte Hermanns. Eine Richtlinie, wie solche Themen zu behandeln seien, brauche man nicht. Zudem müsse man je nach Altersstufe anders mit dem Thema umgehen. Gerade den jungen Schülern müsse man die Angst nehmen, dass ein ähnlicher Anschlag hier passieren könne. Dies bestätigt Erhard Laube, Rektor der Spreewald-Grundschule in Schöneberg. Mit seinem Kollegium hat er schon darüber gesprochen, heute die grausamen Geschehnisse im Unterricht zu behandeln.

Dabei müsse man darauf achten, was die Kinder von sich aus sagen, was sie bedrückt oder bewegt; das hänge auch vom Verhältnis zum Lehrer ab. Gerade Kinder aus bildungsfernen Schichten würden oft von ihren Eltern mit ihren Eindrücken der blutigen Bilder allein gelassen. Der Fernseher laufe den ganzen Tag, aber man rede nicht über die Ereignisse. Sigrid Baumgardt, Sprecherin der Lehrer-Gewerkschaft GEW, weiß aber auch von Eltern, die dieser Tage Zeitungen und TV-Fernbedienung von Kindern fern halten, um sie zu schützen.

„Viele Berliner Kinder und Jugendliche sind emotional bewegt“, sagt Roosbeh Karimi, der frühere Vorsitzende des Landesschülerausschusses und Mitglied der Schulkonferenz des Herder-Gymnasiums in Charlottenburg. Deshalb sollten Lehrer auf Fragen und Stimmungen der Schüler sensibel reagieren und ihnen die Chance geben, das Gesehene auszusprechen und so zu verarbeiten, sagt der 18-Jährige. Karimi hat im Fach Politische Weltkunde (PW) den Tschetschenien-Konflikt bereits durchgenommen, der Kurs werde die Berichterstattung in den Zeitungen über das Geiseldrama auswerten. „In der Schule ist leider immer noch viel zu wenig Platz für aktuelles Weltgeschehen“, sagt der Schüler im dritten Semester. PW-Lehrer Thomas Isensee von der Spandauer Martin-Buber-Gesamtschule bestätigt, dass gerade jüngere Schüler die Ereignisse auf sich übertragen. „Da sind bei einigen die Ängste da, dass so was auch bei uns passieren könnte“: dass Schule von Terroristen für außenpolitische Zwecke missbraucht werde. Auch die Krisenregion Kaukasus sei vielerorts Thema – „wenn auch die Lage dort so kompliziert ist, dass auch wir Erwachsene sie nicht leicht kurz und knapp erklären können“. Harald Mier, Direktor des Schadow-Gymnasiums in Zehlendorf, hält es für richtig, dass in den oberen Klassen das Thema im Geschichts- oder Politikunterricht behandelt wird. Auch an den drei deutsch-russischen Europaschulen wird die Lage im Land besprochen. Ilse Schaad von der GEW sagte, auch an anderen Schulen gibt es Jugendliche, die aus der Krisenregion stammen.

Schule müsse vor allem den Kleineren „Zeit und Raum geben, sich auszusprechen“, sagt der Vorsitzende des Landeselternausschusses, André Schindler. Notfalls müsse Stoff auch mal nach dem Unterricht aufgearbeitet werden. Frau Schaad weiß, warum viele Jugendliche von den Bildern besonders beeindruckt sind: „Schule ist doch in der Gesellschaft eigentlich ein geschützter Raum.“

Zur Startseite