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Berlin: Reden wie die Großen

Die „Toastmasters“ vermitteln die Kunst des freien Vortrags. Die Organisation wurde 1924 in den USA gegründet – jetzt hat sie Berlin erreicht

Charlottenburg. Patrick will an diesem Abend das Eis brechen. Er wird seine erste Rede halten, die erste vor den „Berliner Meisterrednern". Und weil das so etwas wie ein Durchbruch ist, bei dem die Clubmitglieder viel Persönliches über den 23-Jährigen erfahren, gilt dieser erste Auftritt eben als Eisbrecher.

Patrick ist nervös, läuft unruhig in dem Konferenzsaal auf und ab, blickt auf die Uhr. Er hofft, dass er den Auftritt schnell hinter sich bringt. Ein Mal hat er seiner Freundin zu Hause vorgesprochen, erzählt er. „Sie fand’s okay, wollte aber, dass ich bei meinem Vortrag auch mehr die Hände einsetze“, sagt der Student, der später fast täglich vor Publikum reden muss: Er will Lehrer werden und bei den „Berliner Meisterrednern“ seine Angst vor „öffentlichen Auftritten bekämpfen“.

Sie alle galten als große Redner: der römische Senator Cicero, der französische Revolutionär Danton, Reichskanzler Otto von Bismarck. Die Berlin-Rede von John F. Kennedy schrieb Geschichte, und auch Außenminister Joschka Fischer gilt als rhetorisches Ausnahmetalent. Seit Anfang des Jahres hat Berlin einen deutschsprachigen Klub der Meisterredner. Drei englischsprachige existieren schon länger in der Stadt. „Weltweit gibt es inzwischen fast 9000 solche Vereinigungen in rund 70 Ländern“, sagt der Berliner Mitbegründer Frank Spade. Die Organisation Toastmasters International hat eine lange Geschichte. Sie wurde bereits 1924 in den USA gegründet und will ihren Mitgliedern praxisnah die Kunst des Redens vermitteln.

Etwa 20 Toastmasters treffen sich mittlerweile regelmäßig zu ihren „Talk-Abenden“ in Charlottenburg. Darunter sind unter anderem Anwälte, Banker, Studenten, Musiker, Unternehmensberater und Computerexperten. Sie wollen mehr Sicherheit im Auftreten, möchten ein paar Tricks erlernen, Rhetorik und Gestik üben und die Zuhörer begeistern. Gelernt wird auf der Grundlage eines Handbuches der Toastmasters. Die Atmosphäre während der zweistündigen Kurse ist locker. Alle duzen sich. Und wenn der Moderator einen Redner ankündigt, wird applaudiert. Noch kräftiger wird der Beifall, wenn jemand seinen Vortrag beendet hat. „Bei uns blamiert sich keiner, denn alle wollen lernen, wie man sicher und gut redet“, sagt Frank Spade.

Patrick scheint seinen aufmunternden Beifall überhaupt nicht wahrzunehmen. Er schaut auf seinen Zettel, räuspert sich und begrüßt die Anwesenden. Seine Stimme wirkt ruhig und er bemüht sich, die Zuhörer anzuschauen. Manchmal macht er kunstvolle Pausen. Die sollen die Spannung steigern. Patrick spricht offen über seine Hemmungen, vor vielen Menschen zu reden: über Black-outs, über kalten Schweiß und zitternde Hände. Dann löst er sich von seinem Manuskript und erzählt, warum er Lehrer werden möchte und dass er in einer Band spielt. Vielleicht steht er ein bisschen zu schlaksig hinter dem Tischpult. Vielleicht sollte er noch mehr den Körper beim Reden einsetzen, vielleicht verwendet er noch zu viele „Ähs“. Aber das ist beim ersten Klubauftritt egal. An diesem Abend gibt es noch zwei vorbereitete Reden. Sie werden von Clubmitgliedern gehalten, die schon länger dabei sind. Deshalb wird streng auf die Einhaltung der Zeit und den Sprachstil geachtet. Jedes „Äh“ und „Ehm“ wird registriert. Dafür gibt es „Kontrolleure“. Jürgen Wutke beispielsweise. Der Unternehmensberater knipst nach fünf Minuten Redezeit die grüne Lampe an, dann die gelbe. Wenn die rote leuchtet, sollte der Referent mit dem Schlusssatz beginnen. Für Spade war dieser Klubabend etwas Besonderes. Der Computerexperte, der seit zehn Jahren in den USA bei den Toastmasters mitmacht, hielt das erste Mal eine freie Rede. Der Titel des gelungenen Vortrags: „Es geht aufwärts“.

Die Toastmasters treffen sich jeden ersten und dritten Donnerstag im Monat um 19.35 Uhr im Nachbarschaftshaus am Lietzensee, Herbartstraße 25. An diesem Sonnabend, 26. Oktober, findet um 13 Uhr im Dietrich-Bonhoeffer-Haus, Ziegelstraße 30 in Mitte, ein humorvoller Redewettbewerb der Toastmaster mit Teilnehmern aus vielen Teilen der Republik statt. Zuschauer sind willkommen.

Weitere Infos unter

www.meisterredner.de

Steffi Bey

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