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Berlin: Regenschirme für Fahrgäste der 1. Klasse

Trotz des verkürzten Dachs am Hauptbahnhof sollen die besten Kunden nicht länger nass werden

Das Dach am wohl teuersten Bahnhof Europas, den die Bahn selbst als den modernsten der Welt bezeichnet, bleibt zwar auf Dauer so kurz, dass Fahrgäste der 1. Klasse im Freien stehen. Doch sie sollen bei Regen in Zukunft wenigstens nicht mehr nass werden. Vom 1. Oktober an sollen Servicemitarbeiter bei schlechtem Wetter mit Regenschirmen an den Zügen stehen und die Fahrgäste der 1. Klasse wohlbeschirmt in den Glaspalast begleiten.

Der Service gehöre zum Programm, das die Bahn in Zukunft generell den Kunden in der 1. Klasse anbieten wolle, sagte Bahnhofsmanagerin Julia Theurkauf. Unter anderem sollen die Servicemitarbeiter dann auch Fahrgäste durch den Bahnhof begleiten, wenn sie sich in dem gewaltigen Gebäude nicht auf Anhieb auskennen. Auch beim Gepäcktransport könnten die Mitarbeiter helfen, ohne die Rolle eines klassischen Gepäckträgers zu übernehmen. Diese werde es auch im Hauptbahnhof nicht geben.

Das Angebot, Fahrgäste bei Regen mit einem Schirm zu empfangen, sei ein besonderer Service und keine Reaktion auf das verkürzte Dach, so Theurkauf. Allerdings habe es bereits Beschwerden von Fahrgästen gegeben, bestätigte sie.

Mitten in der Bauphase des Superbahnhofs hatte Bahnchef Hartmut Mehdorn das Ost-West-Dach über der Stadtbahn um mehr als 100 Meter verkürzen lassen. Nur so sei es möglich, nach mehreren Terminverschiebungen den Bahnhof vor der Fußball-Weltmeisterschaft im Sommer zu eröffnen, hatte er argumentiert. Den Termin hat er eingehalten, am 28. Mai ging der Bahnhof in Betrieb. Jetzt ist die Weltmeisterschaft vorbei, das verkürzte Dach aber bleibt.

Die Architekten von Gerkan, Marg und Partner hatten ein 430 Meter langes Glasdach geplant, das einen langen ICE voll überspannt hätte. Nun ist es nur 321 Meter lang geworden, die bereits gefertigten Teile, die nicht mehr benötigt wurden, sind eingelagert. Die Bahn will sie nun woanders verwenden. Ein nachträglicher Einbau am Hauptbahnhof sei nicht möglich, weil die Stadtbahn dann fast ein Jahr lang gesperrt werden müsse.

Mehdorn hatte zwar behauptet, dass trotzdem kein Fahrgast im Regen stehen müsse, doch ein ICE ist bis zu 410 Meter lang. Und dummerweise befinden sich die Wagen für die 1. Klasse in der Regel an der Zugspitze oder am Ende – und stehen dann unter freiem Himmel. Wer ein- oder aussteigt, ist Wind und Wetter schutzlos ausgesetzt.

Dies sei nicht ungewöhnlich, sagt Theurkauf. In Deutschland gebe es nur zwei Bahnhöfe, in denen ein langer ICE komplett unter einem Dach halten könne: in Spandau und im Hauptbahnhof, nämlich in der unterirdischen Nord-Süd-Halle. Dort wollte Mehdorn ursprünglich alle ICE-Züge halten lassen und sie von der Stadtbahn verbannen. Doch damit setzte er sich nicht durch.

Mit dem verkürzten Dach hätten diese Überlegungen nichts zu tun gehabt, versichert die Bahn. So wie jetzt auch der Regenschirm-Service angeblich einfach nur so angeboten wird.

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