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Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) will in die Offensive und verteidigt seinen Spagat zwischen Privatem und Politischem.

© dpa

Regierender Bürgermeister in der Kritik: „Es muss auch den privaten Klaus Wowereit geben“

Flüge, Finca, Golf: Der Regierende hatte viel zu erklären, als er am Dienstag ins Rote Rathaus kam. Ein entscheidendes Detail aber hätte Klaus Wowereit beinahe vergessen.

Er wirkt fast schon erleichtert. Gut 20 Minuten geht es erstmal um „marktnahe und marktferne Arbeitslosigkeit“, dann kommt bei der Pressekonferenz im Roten Rathaus endlich die Frage: Was genau er, Klaus Wowereit, denn nun in London wollte. Warum reiste er nicht mit einem Linienflug, um an einer Veranstaltung des Capital Clubs teilzunehmen, sondern in einem Privatjet des ehemaligen Bahn-Chefs Heinz Dürr? Wowereit lehnt sich zurück und sagt: „Na, für diese Fragen bin ich ja auch hier, um Stellung zu beziehen.“

Es ist der Versuch von Wowereit, schnell in die Offensive zu kommen. Erst vor wenigen Wochen hat er im Fall Wulff beobachten können, was passiert, wenn Politiker zur Salamitaktik übergehen. Und auch Wowereit lief Gefahr, in diese Falle zu tappen. Erst der Kurzurlaub 2004 in der Finca von Eventmanager Manfred Schmidt. Das gab Wowereit zu, betonte aber, dass dies alles gewesen sei – in einem Moment, als er schon wusste, dass der nächste Fall, ein Flug mit dem Privatjet von Ex-Bahn-Chef Heinz Dürr, schon kurz vor der Bekanntmachung stand. Und Dienstagfrüh die nächsten Anfragen, weitere Reisen mit dem Privatjet stehen zur Diskussion. Es muss der Moment sein, in dem er erkennt, etwas sagen zu müssen.

Doch Wowereit will lieber grundsätzlich werden, nicht konkret. Es müsse möglich sein, als Politiker Kontakte zu pflegen, auf Veranstaltungen von Entscheidern zu gehen. „Das erwarte ich sogar von meinen Senatoren“, sagt er. Es ist ein anderer Ton als bei Christian Wulff, der im Vorfeld seines Rücktritts in eine ähnliche Richtung argumentierte. Wowereit tritt weniger mitleidheischend auf. Heute würde er zwar die Anreise nach London und auch die Einladung auf die Schmidtsche Finca anders handhaben, „aber es muss auch den privaten Klaus Wowereit geben“. Der Regierende Bürgermeister verweist darauf, dass es immer Grauzonen zwischen Privatem und Politischem gebe. „Aber, wann bin ich als Regierender Bürgermeister schon mal privat“, fragt er. „Es gibt kaum eine Veranstaltung auf der ich bin, wo keiner etwas von mir will – und dafür sind diese Events ja auch, um ins Gespräch zu kommen.“ Wowereit glaubt auch nicht, dass neue gesetzliche Regelungen, bei der „Entschärfung“ der Grauzone helfen könnte.

Was die Berliner über Wowereits Spagat zwischen Privatem und Politischem denken, sehen Sie hier im Video:

Zu seinem eigenen Tun sagt er nur, dass es keine geschäftlichen Beziehungen zwischen dem Senat und Manfred Schmidt gegeben habe. Und auch Dürr habe keine politischen Gegenleistungen bekommen. Weitere Besuche und Reisen gibt Wowereit von sich aus nicht zu. Erst als er im Roten Rathaus vom Tagesspiegel danach gefragt wird, bestätigt er, dass es nicht nur einen Flug 2002 mit Dürrs Privatjet zur Capital-Club-Veranstaltung nach London gegeben hat, sondern auch 2003. Von allein hätte er dieses Detail nicht bekanntgemacht. Auch damals habe er, quasi aus schlechtem Gewissen, direkt einen Betrag, der angeblich dem eines Flugtickets nach London entsprochen habe, gespendet – allerdings als Linienflug und nicht im Privatjet. Die Übernachtungskosten im Golfhotel „Brocket Hall“ zahlte der Capital Club, Höhe unbekannt.

Sehen Sie hier einen Einblick in die Pflichten des Regierenden:

Beim gemeinnützigen Schwulen-Beratungszentrum „Mann-o-Meter“ ließ sich am Dienstag nicht sicher klären, ob die von Wowereit erwähnte Spende über 300 Euro für den Flug 2002 nach London tatsächlich eingegangen ist. Allerdings spricht viel dafür: Nach Auskunft von Mann-o-Meter-Vorstand Rudolf Hampel gilt Wowereit seit Jahren als verlässlicher Spender. Erfahrungsgemäß bedenke Wowereit den Verein, wenn er beispielsweise Honorare für Veranstaltungen oder Fernsehauftritte erhalten habe. Die Spenden seien unterschiedlich hoch gewesen, also keine Daueraufträge von 300 Euro. Auch das Überfall-Telefon des Vereins Maneo gehöre zu den Empfängern. Ute Hiller, Geschäftsführerin der gemeinnützigen Berliner Aids-Hilfe, berichtete von vielen Spenden des Bürgermeisters.

Die CDU hält sich mit Kritik zurück

In der CDU hält man sich mit kritischen Bemerkungen in Richtungen Wowereit zurück. Schon am Freitag, als erste Vorwürfe gegen ihn bekannt geworden waren, äußerten sich weder CDU-Landeschef und Innensenator Frank Henkel noch sein CDU-Vize, Justizsenator Thomas Heilmann, zu der Angelegenheit. An ihrer Stelle verlangte CDU-Generalsekretär Kai Wegner, dass „mit dieser Art der Auseinandersetzung“ Schluss sein müsse. Dem Grünen Dirk Behrendt, der Wowereit seine Kontakte zu Schmidt vorgeworfen hatte, warf Wegner „unterirdisches politisches Niveau“ vor.

Erstaunlich ist die christdemokratische Solidarität aus mehreren Gründen. Noch im Wahlkampf Spitzenkandidat Henkel keiner Auseinandersetzung aus dem Weg gegangen. Vor gut einem Jahr sagte Henkel voraus, Wowereit werde die Wahl verlieren, „weil der Regierende Bürgermeister deutlich erkennen lässt, dass er keine Lust mehr hat, Berlin zu regieren. Weil er keinen Plan mehr hat, wie er die Stadt nach vorne bringt. Hinzu kommen Überheblichkeit und die Gleichgültigkeit gegenüber den Problemen der Berliner“. Henkel attackierte den „Sonnenkönig“ Wowereit und hielt ihm vor, er lasse die Sorgen der Leute an sich abperlen, als sei er mit Teflon beschichtet.

Gerade die CDU hat in zehn Jahren der Opposition von Sozialdemokraten immer wieder zu hören bekommen, sie sei die Partei des Bankenskandals und des Baufilzes – auch als die Protagonisten der Affären längst aus der Politik verschwunden waren. Da wäre nur leicht getarnte Schadenfreude verständlich. Doch die ist nicht zu erkennen. Das sei „nicht so die Stimmung“, sagt ein wichtiger Abgeordneter. Eher respektiere er den „Mut“ Wowereits, sich den Fragen der Öffentlichkeit zu stellen. Ein führender CDU-Mann bezeichnete „die Dürftigkeit der Vorwürfe“ als wichtigsten Grund für die Zurückhaltung beim Koalitionspartner. Man müsse sich nur mal vorstellen, wie Wowereit angegriffen worden wäre, wenn er sich vor zehn Jahren geweigert hätte, mit Leuten aus der Wirtschaft ins Gespräch zu kommen.

Ob und inwiefern Senatoren ähnliche Angebote von Unternehmern bekommen haben, war vorerst nicht in Erfahrung zu bringen. Von Mitarbeitern der früheren rot-roten Landesregierung hieß es, die Senatoren der Linken hätten keine „unmoralischen Angebote“ unterbreitet bekommen. Auch an Renate Künast, die im vergangenen Jahr als Bürgermeisterkandidatin antrat, seien Unternehmer nicht direkt herangetreten. Künast ist seit 2005 Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag. Seitdem habe sie oft Einladungen des Party-Veranstalters Manfred Schmidt erhalten, sagte eine Fraktionssprecherin, dessen Feiern habe sie aber nie besucht.

Wowereits Auftreten am Dienstag ist nicht nervös, nicht übertrieben kämpferisch. Aber es ist zu spüren, wie er sich bemüht, nicht über das Ziel hinauszuschießen, die Sache nicht ins Lächerliche zu ziehen, was ihm sonst gelegentlich passiert. Nur am Ende klappt das nicht mehr. Auf die Frage, wer noch im Privatjet nach London saß, witzelte er: „Der Pilot“.

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