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Berlin: Regierungserklärung: Wort für Wort: Was Wowereit im Parlament sagte

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...über den Mentalitätswechsel

Berlin braucht einen Mentalitätswechsel, der dem Neuen eine Chance gibt. Am Anfang steht der Mut zur Wahrheit. Der Mut, die Probleme beim Namen zu nennen. Und der Mut, auch harte Konflikte nicht zu scheuen ... Wir bauen keine Wolkenkuckucksheime in den Himmel der Zukunft, sondern wollen Berlin auf dem harten Boden der Wirklichkeit voranbringen.

Visionen sind in dieser Stadt zu häufig mit Illusionen verwechselt worden. Meine Vision ist das Tatsächliche, ich eigne mich nicht zum Jongleur von Seifenblasen. Mein Ziel ist es, dass wir im Jahr 2009 keinen Regierenden Bürgermeister mehr haben, sondern einen Berliner Oberbürgermeister und einen gemeinsamen Ministerpräsidenten für Berlin und Brandenburg. Mein Ziel ist es, dass die Region zu wirtschaftlichem Erfolg findet, ... sich zu einer Ideenschmiede entwickelt und das Zusammenwachsen der bisherigen EU mit den neuen mittel- und osteuropäischen Nachbarn als Gestaltungschance begreift.

...über die Suche nach innerer Balance der Stadt

Obwohl schon zwölf Jahre seit der Vereinigung vergangen sind, gibt es nach wie vor einen Riss zwischen Ost und West. Wir sind weiter auf der Suche nach innerer Balance, nach einer Identität, die in der ganzen Stadt anerkannt wird. Wir werden weiter beharrlich daran arbeiten, die Stadt im Inneren zusammenzuführen... Berlin ist die Stadt, in der die Mauer stand. In Berlin wurden Familien durch die gewaltsame Teilung auseinander gerissen. Und Berlin war es, wo zwischen 1961 und 1989 Menschen starben oder verletzt wurden, weil sie in Freiheit leben wollten. All dies dürfen und werden wir nicht vergessen. Es ist Geschichte, die uns prägt. Die Erinnerung an diese Zeit hilft uns, den Wert von demokratischen Errungenschaften wie den der individuellen Freiheit zu schätzen. Geschichtsbewusstsein ist das eine... Etwas völlig anderes aber ist es, wenn Geschichte als Kampfmittel eingesetzt wird, um politische Gegner zu verunglimpfen. Damit ist keinem geholfen, es vertieft die Spaltungen und schadet der Einheit.

...über den Zwang zur Entscheidung

Die Diskussion über das Universitätsklinikum Benjamin Franklin zeigt deutlich, was sich ändern muss, und ich füge hinzu: was sich auch schon geändert hat... Alle Beteiligten wissen: Die Hochschulmedizin spielt eine zentrale Rolle für den Wissenschaftsstandort Berlin. Aber sie erkennen auch an, dass die Hochschulmedizin effizienter und kostengünstiger werden muss. Jetzt stellen sich alle dem Problem und suchen gemeinsam nach Lösungen. Und zwar nach Lösungen für ganz Berlin. Das macht Mut und zeigt: Es geht auch anders.

Ab jetzt gilt: Es wird diskutiert - nicht statt zu entscheiden, sondern um zu entscheiden. Was wir in Berlin brauchen ist eine Umkehr der Beweislast. Wer sagt, dass etwas nicht geht, soll sagen, wie es gehen soll. Wer sagt, dass es so nicht geht, soll sagen, welchen anderen Weg es gibt. Kein Nein ohne konstruktives Ja! Mentalitätswechsel in und für Berlin - dieser Prozess wird sich nicht ohne Widerstände und Schmerzen vollziehen.

...über die Sanierung des Landeshaushalts

Gesunde Finanzen sind nicht alles. Aber ohne finanzielle Handlungsspielräume ist alles andere nichts. Wir wollen Berlin von der Stadt der Subventionen zu einer Stadt der Initiativen machen. Wer die Neuverschuldung nicht in den Griff bekommt, vergreift sich an den Zukunftschancen unserer Kinder und damit an der Zukunft Berlins. Jeder Euro mehr an Zinsen bedeutet, dass weniger Geld da ist für Kitas, Schulen und Jugendarbeit. Schon heute könnten allein mit den Zinszahlungen von zwei Tagen 300 Lehrerinnen und Lehrer ein ganzes Jahr lang finanziert werden.

Jeder Euro mehr an Zinsen bedeutet, dass weniger Geld für soziale Arbeit zur Verfügung steht. Schon heute fressen allein die Zinsen so viel Geld, wie Berlin in einem Jahr für Sozialhilfe ausgibt. Jeder Euro mehr an Zinsen bedeutet, dass weniger Geld für die Kultur ausgegeben werden kann. Schon heute entsprechen die Zinsen, die in nur 40 Tagen anfallen, dem Etat aller Berliner Bühnen für ein Jahr.

Die strukturelle Sanierung der Landesfinanzen ist die zentrale Aufgabe dieser Wahlperiode. Schaffen werden wir es nur mit einem Bündel von Maßnahmen. Der Senat ist entschlossen, die Komplettsanierung anzupacken. Jeder Zeitverzug würde die Probleme noch verschlimmern.Ziel unseres Sanierungsplanes ist es, die Ausgaben dauerhaft zu senken. Und wenn wir einmal die Zinsbelastung weglassen, dann sind es immer noch über zwei Milliarden Euro, die zwischen den dauerhaften Einnahmen und den dauerhaften Ausgaben liegen. Das ist eine Schieflage, die wir beseitigen müssen.

Ein nüchterner Blick genügt, um zu erkennen: Die hohen Personalausgaben nehmen uns Gestaltungsspielräume. Berlin steckt in einer finanziellen Notlage. Und deshalb geht es jetzt darum, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen. Der Senat in seiner Arbeitgeberfunktion, aber auch die Gewerkschaften und die Personalvertretungen. Ich setze auf die Bereitschaft zur Mitwirkung, weil es die einzige Chance ist, den notwendigen Prozess zu gestalten.

...über den Abbau der Arbeitslosigkeit

In Berlin sind mehr als eine Viertelmillion Bewohner ohne Job. Rund 250 000 Menschen sind auf Sozialhilfe angewiesen. Das ist eine schlimme Realität und fordert von uns allen höchste Anstrengungen, um Abhilfe zu schaffen. Es geht um soziale Gerechtigkeit! Soziale Gerechtigkeit kann man nicht an der Höhe des Sozialhilfeetats ablesen. Im Gegenteil: Von Sozialhilfe abhängige Menschen in Jobs zu bringen, bedeutet Teilhabe und zugleich wird der Haushalt entlastet.

Der Senat hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, jährlich 6000 erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger in tariflich bezahlte Arbeit zu bringen. Dazu bedarf es einer intensiven Zusammenarbeit zwischen Sozialämtern und Arbeitsämtern, aber auch mit Unternehmen. Im Rahmen des Programms "Soziale Stadt" wird der Senat auch weiterhin die Entwicklung besonders belasteter Stadtteile unterstützen. Beide Beispiele zeigen: Wir orientieren uns am Leitbild eines kooperativen Sozialstaats.

290 000 Arbeitslose in Berlin geben uns einen klaren Auftrag: Er lautet, Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt zu schaffen. Wir alle erinnern uns an die Hiobsbotschaften der letzten Monate. Traditionsreiche Berliner Unternehmen wie Borsig, Pirelli und Lipro haben in Berlin Hunderte von Arbeitsplätzen abgebaut. Und wir wissen, dass an fast jedem Arbeitsplatz auch eine Familie oder zumindest eine Partnerin oder ein Partner hängt. Jeder Arbeitsplatz-Verlust ist schlimm und bedeutet auch einen Verlust an Lebensperspektiven.

Die wichtigste Aufgabe ist es daher, ein Klima zu schaffen, wo Investoren sagen: Seht her, es gibt Bewegung in Berlin. Da lohnt es sich einzusteigen. Sagen wir es doch ganz offen: Ansiedlungen laufen immer noch holprig, noch immer gibt es zu viele Zuständigkeiten und zu viele Genehmigungen, die Investoren einholen müssen, bevor sie den ersten Spatenstich machen können. Wir wollen, dass Investoren in einigen Jahren sagen: Öffentliche Dienstleistungen in Berlin sind vorbildlich. Für Investoren wird der rote Teppich ausgerollt.

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