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Berlin: Regierungsparteien einigen sich auf Kopftuchverbot

Rot-roter Kompromiss: Religiöse Symbole sind in staatlichen Schulen, bei Polizei und Justiz untersagt, nicht aber in Kindertagesstätten

Von Sabine Beikler

Am Dienstag um kurz nach 17 Uhr gab die PDS-Fraktion ihre Zustimmung. Die Sozialdemokraten, die zeitgleich tagten, brauchten dafür gute zwei Stunden länger, bis feststand: Beim Kopftuch-Streit im öffentlichen Dienst haben die Regierungsparteien einen Kompromiss erzielt. In Berlin wird künftig das Tragen sichtbarer, religiöser Symbole in der Justiz, im Polizeidienst sowie an staatlichen Schulen verboten. Ausnahmen sollen für Kitas, für Berufsschulen und Schulen im zweiten Bildungsweg gelten. Auch bei Schulen mit besonderer Prägung darf der oberste Dienstherr, Schulsenator Klaus Böger (SPD), nach begründeten Anträgen Ausnahmen genehmigen. Dazu könnten zum Beispiel sport- oder musikbetonte Schulen oder auch deutsch-türkische Europaschulen zählen.

„Damit gibt es kein Gesamtverbot für den öffentlichen Dienst, sondern wir lassen Ausnahmen zu“, sagte PDS-Innenexperte Udo Wolf. Die PDS hatte ein generelles Kopftuchverbot, wie es der SPD-Vorstand gefordert hatte, strikt abgelehnt. Mit dem jetzt erzielten Kompromiss unterstreicht Berlin nach Auffassung der Koalition auf der einen Seite die Religionsfreiheit für Beamte im öffentlichen Dienst, erwartet von ihnen allerdings auch ein deutliches Bekenntnis zur weltanschaulichen Neutralität. „Der Kompromiss entspricht dem, was ich für angemessen halte“, sagte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) dem Tagesspiegel am Dienstagabend. Er wird ein entsprechendes Gesetz erlassen.

Der Innensenator und sein Amtskollege Böger warben in ihrer eigenen Fraktion für den Kompromiss. Dem Vernehmen nach wollten einige SPD-Mitglieder auch in den Kindertagesstätten ein Verbot religiöser Symbole durchsetzen. Dennoch wurde der Kompromiss „mit großer Mehrheit“ erzielt, sagte Heidemarie Fischer, innenpolitische Sprecherin der Fraktion hinterher. „Hätte man allein nur das Tragen von Kopftüchern verboten, würde das die Stadt spalten“, sagte Fischer. Die beiden SPD- und PDS-Innenpolitikexperten hoffen, dass das von Rot-Rot verabschiedete „Gesamtpaket“ bei der Integration von Berlinern ausländischer Herkunft helfe.

Die Koalition verständigte sich darauf, eine staatliche Antidiskriminierungsstelle einzurichten. Die Behörde soll Beschwerden nachgehen und „mögliche, bisherige Stigmatisierungen verhindern“, sagte PDS-Politiker Wolf. Angesiedelt werden soll die Antidiskriminierungsstelle nach Informationen des Tagesspiegel beim Migrationsbeauftragten Günter Piening – und wäre in ihrer Art bundesweit einmalig. Berlin hätte damit nach Auffassung von Rot-Rot die Anforderung der EU-Antidiskriminierungsrichtline erfüllt. Danach sollen Benachteiligungen wegen Rasse, Herkunft, Weltanschauung und Religion vermieden werden.

In Berlin sollen künftig im öffentlichen Dienst Fortbildungen gegen Diskriminierungs-Tendenzen angeboten und Mitarbeiter in Jugendämtern speziell geschult werden. Rot-Rot verständigte sich auch darauf, unter Federführung des Senats einen Arbeitskreis „Islam und Schule“ zu bilden, der bei möglichen Konflikten zwischen Religionen vermitteln und einen besseren Dialog zwischen Staat und Kirche fördern soll. Mitglieder des Arbeitskreises sollen Vertreter von Religionsgemeinschaften oder Islamwissenschaftler sein. Heidi Fischer und Udo Wolf betonen beide, dass mit einem generellen Kopftuch-Verbot der Fundamentalismus nicht hätte aufgehalten werden können. Mit dem jetzt verabschiedeten Kompromiss wolle man vielmehr die liberalen Muslime stärken.

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