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Berlin: Regierungsumzug: "Wir verlieren ja nur noch"

Der erste Tritt sollte richtig prominent sein. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse persönlich wollte gestern Abend den Ball ins Spiel bringen, als im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark die Fußballmannschaft von DaimlerChrysler gegen die Auswahl des Deutschen Bundestags antrat.

Der erste Tritt sollte richtig prominent sein. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse persönlich wollte gestern Abend den Ball ins Spiel bringen, als im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark die Fußballmannschaft von DaimlerChrysler gegen die Auswahl des Deutschen Bundestags antrat. Am Nachmittag noch hatte der Bundestagspräsident Erde in den Haackeschen Holztrog geschüttet, um dann anschließend zum Anstoß nach Prenzlauer Berg zu eilen. Doch bereits nach dem ersten Ballkontakt wollte Thierse das Spielfeld wieder verlassen: Er gehört gar nicht zum Fußballkader des Palaments. Das Dribbeln und Tricksen überließ er weniger prominenten Mitgliedern des Bundestags.

Die beiden Teams liefen gestern zum zweiten Mal gegeneinander auf - nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe. Bereits im September 1999 gab es ein Match, das die Politiker zwei zu drei verloren geben mussten. Den Vorsprung der "SG Stern", verursacht durch ein Eigentor in der 10. Minute, hatten die Parlamentarier nicht mehr aufholen können. Insgesamt fällt die Bilanz des Politkerteams schlechter aus, seit der Bundestag nach Berlin umgezogen ist: In Bonn konnten die Abgeordneten öfter siegen. Mannschaftskapitän Klaus Riegert begründet das mit "Anlaufschwierigkeiten", die durch "besonderen Ehrgeiz" in der aktuellen Saison überwunden werden sollen. "Wir verlieren ja nur noch", klagt Carsten Schneider (SPD), mit 24 Jahren jüngster Bundestagsabgeordneter. Und fügt etwas frustriert hinzu: "Früher waren wir besser."

Der Grund für das sportliche Tief nach dem Umzug ist womöglich der Trainingsrückstand. Seit die Regierung in Berlin ist, üben die Parlamentarier schlichtweg gar nicht mehr. Keine gemeinsamen Läufe, kein Dribbeln, keine Standardsituationen auf Probe. In Berlin fehlen die "Trainingsmöglichkeiten", begründet Carsten Schneider die Faulheit der Volksvertreter. Keiner der Berliner Innenstadtvereine wollte seinen Platz auch nur vorübergehend für die Politkicker räumen. In Bonn habe man sich am Rheinufer in der Nähe des Parlaments getroffen, das sei kein Problem gewesen. Doch auch der Tiergarten, schließlich in unmittelbarer Nachbarschaft zum Reichstag, kann da kein Ersatz sein. "Wir haben ja keine Umkleidemöglichkeiten." Da die Abgeordneten keine wichtige Abstimmung verpassen wollen, weil sie irgendwo im Norden Berlins gerade trainieren, haben sie es ganz sein gelassen. "Spiel ist gleich Training", sagt Kapitän Riegert. Das schränkt nach Meinung von Carsten Schneider die Leistungsfähigkeit des Teams schon ein.

Klaus Riegert, Mitglied der CDU-Fraktion, führt die Torschützenliste der Mannschaft an: Seit 1987 schoss er ungefähr 140 Tore für den Bundestag. Der Kader ist streng parteiübergreifed. Aktuell gehören ihm zum Beispiel auch Ehrenspielführer Klaus Rose (CDU) und Rolf Kutzmutz von der PDS an. Bis auf den Torwart Samy Seghaier von der Bundestagsverwaltung haben alle Spieler ein Mandat.

Abgeordnete im Strafraum: Das hat im Bundestag eine lange Tradition. Bereits in den sechziger Jahren traten Politiker in Bonn den Ball, häufig für einen guten Zweck. 1967 wurde dann die eigene Fußballabteilung innerhalb der Sportgemeinschaft des Parlaments gegründet. Der ehemalige Umweltminister Klaus Töpfer (CDU) lief genauso auf wie sein Kollege Theo Waigel (CSU). Die SPD wurde in den vergangenen Jahren prominent durch den Fraktionsvorsitzenden Peter Struck und Verteidigungsminister Rudolf Scharping vertreten. Auch Außenminister Joschka Fischer, mittlerweile massenwirksamer Marathonmann, kämpfte für das Parlament um Punkte und Tore. Der Grüne ist passionierter Kicker und unter den Freizeitfußballern in einem Frankfurter Park, wo er früher öfter mit Daniel Cohn-Bendit spielte, als rauer Gegner bekannt. Vor einigen Jahren kickte er auch im Team seiner Fraktion. Doch dafür hat er keine Zeit mehr.

Unter dem Zeichen des Sterns lief gestern Abend eine sehr gemischte Mannschaft auf. Führungskräfte von DaimlerChrysler aus Stuttgart kickten ebenso wie Mitarbeiter der Berliner Niederlassung und des Werks in Marienfelde. Die Betriebssportgemeinschaft des Konzerns beschränkt sich wie beim Bundestag nicht auf den Fußball, in vielen andere Sportarten haben sich bundesweit Mannschaften zusammengefunden.

Jasmin Jouhar

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