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Hort unzähliger durchzechter Nächte: Die Bar 25 nach ihrer Schließung. Nun wird hier das "Holzmarkt"-Projekt hochgezogen.

© Markus Heine/ dpa

Update

Register zu Berliner Partyszene veröffentlicht: Bausenator will Clubsterben verhindern

Eine interaktive Berlin-Karte zeigt, wo es Tanzlokale und Musikbars gibt – auch längst verschwundene tauchen hier auf. Das "Kataster" soll bei der Bauplanung helfen und Lärmkonflikte vermeiden.

Andreas Geisel ist Senator für Stadtentwicklung, Umwelt und neuerdings auch für die Berliner Clublandschaft. „Wohnen kann man überall. Das Besondere an Berlin ist die Clubszene“, sagte Geisel bei der Vorstellung des so genannten Clubkatasters. Sein Ziel: „Berlin spannend und wild zu halten, bei aller Entwicklung.“ Solche Sätze sind unter Geisels Vorgänger Michael Müller nicht gefallen. Geisel will die Clubs besser gegen Lärmkonflikte mit Investoren absichern. Lutz Leichsenring, Sprecher der Clubcommission, bedankte sich für die neue „Rückendeckung“ durch den Senator.

Was ist passiert? Die Clubcommission hat im Auftrag des vom Senat geförderten Musicboards eine interaktive Karte der Berliner „Musikspielstätten“ erstellt. 1200 Locations wurden bislang erfasst, darunter 352 Clubs, von denen 123 derzeit geöffnet sind. Die Besonderheit: Auch ehemalige, längst geschlossene Clubs und Discotheken werden aufgeführt, wie der legendäre Dschungel in Schöneberg oder das Big Eden am Ku’damm.

Mitte hat die meisten Clubleichen

Für Schöneberg sind 18 verstorbene Clubs registriert, in Mitte liegen die meisten Clubleichen: 93. Insgesamt verzeichnet das Clubkataster 768 Locations, die es nicht mehr gibt. Das Kataster ist also auch ein Instrument der Selbstvergewisserung und des wehmütigen Erinnerns. Wobei die vielen illegalen Clubs der 90er Jahre bisher kaum erfasst sind.

Die katastereigene Statistik stützt die verbreitete Klage vom Clubsterben und der Verdrängung in die Außenbezirke zunächst nicht: Für 2014 werden 19 Eröffnungen und 13 Schließungen ausgewiesen, auch in früheren Jahren ist die Bilanz eher positiv. Doch Leichsenring, Autor des Katasters, warnt vor voreiligen Schlüssen. Die Zahlen seien noch nicht valide, man hoffe auf weitere Hinweise über ehemalige Clubs aus der Szene. „Weil wir das Eröffnungsdatum vieler aktiver Clubs nicht kennen, haben wir erstmal pauschal 2010 angenommen.“ Also ein Recherchewerkzeug 2.0, das von der aktiven Beteiligung seiner Nutzer lebt.

Register soll Konflikte entschärfen

Geisel sieht das Kataster als planerische Informationsquelle für Bauverwaltungen und Bauherren. Am Donnerstag will er den Baustadträten der Bezirke das Kataster vorstellen und – damit verbunden – eine neue Richtlinie für Baugenehmigungen im Umfeld bestehender Clubs. Investoren müssen künftig per Lärmgutachten nachweisen, dass es an den künftigen Wohnungen nicht so laut wird, dass die Bewohner erfolgreich dagegen klagen können. Fällt das Gutachten negativ aus, müssen Schallschutzfenster eingebaut oder Schlafzimmer verlegt werden. Diese Richtlinie soll auch in der Berliner Bauordnung festgeschrieben werden. Man könne den Clubs keinen Bestandsschutz garantieren, sagte Geisel, aber „mehr Sicherheit“.

Bislang ist das Wissen um die Berliner Clublandschaft in vielen Bezirksämtern eher unterentwickelt. In Mitte fiel Jahre lang nicht auf, dass der Weddinger Stattbad-Club ohne Genehmigung betrieben wurde. Wo die Partyszene tobt, ist den meist älteren Mitarbeitern oft nicht geläufig. Präzedenzfall für eine solche Wissenslücke war der Knaack-Club in Prenzlauer Berg, der 2010 nach 58 Jahren am Standort Greifswalder Straße schließen musste. Ein angrenzender Neubau war ohne Schallschutzauflagen genehmigt worden, obwohl er direkt an den Club grenzte. Die Gerichte entschieden letztlich gegen den Club. Im neuen Kataster ist nur nüchtern verzeichnet: „Status: geschlossen“. Zurzeit verhandelt das Knaack über einen neuen Standort am Mauerpark.

Clubkommission hat die Seite entwickelt

Rund 15 000 Euro hat die Internetseite „www.clubkataster.de“ gekostet. Über aktuelle Konflikte mit Anwohnern informiert die Seite nicht. „Das sind oft laufende Verfahren. Damit wollen die Clubs nicht so gerne an die Öffentlichkeit“, sagt Musicboard-Chefin Katja Lucker. Sie setzt eher auf gegenseitige Rücksichtnahme. Dazu wurde das Programm „Pop und Kiez“ aufgelegt. In diesem Jahr werden Projekte unterstützt, die „für ein positives Miteinander von Livemusik und Nachbarschaft“ sorgen, durch Kiez- Workshops oder Talkrunden.

Besonders den Veranstaltern von Open-Air-Events wird empfohlen, die Anwohner mit Charmeoffensiven milde zu stimmen. Konkrete Vorschläge: kostenloser Eintritt oder ein Hotelgutschein. Auch für den „Umgang mit Querulanten“ gibt es Ratschläge: Lärmmessung am Fenster des Klägers organisieren oder eine medienwirksame Kampagne für die Cluberhaltung starten. Wenn alles nichts nützt, bleibt nur der Gang zum Anwalt.

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