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Berlin: Reich, aber nicht glücklich

Opole, km 2578: Der polnische Spediteur Lech Malinski hat Erfolg – und ein Problem. Er verflucht die deutschen Beamten, von denen er sich seit Jahren schikaniert fühlt. Seine Hoffnung liegt auf dem 1.Mai – wenn die Grenze geöffnet wird

Neben der Villa von Lech Malinski parkt einer von elf Vierzigtonnern. Die anderen zehn sind gerade mit Metallteilen und Kunststoffen quer durch Europa unterwegs und spielen das Geld ein, von dem Malinski sich gerade das Haus mit Säulen und Türmchen baut. Es ist fast fertig; seine Initialen glänzen bereits golden vom Balkongeländer. Nur die Lampen fehlen noch.

Malinski könnte zufrieden sein. Warum er es nicht ist, erzählt er erst, wenn man ihm verspricht, seinen Namen zu ändern und kein Foto zu drucken. Er wolle nicht wieder Ärger mit der deutschen Polizei. Es sei ihm nämlich schon einmal passiert, dass nach einer Beschwerde sämtliche seiner Lkw an der Grenze gefilzt worden seien. Deshalb hofft Malinski auf den Mai: „Wegen dieser ScheißGrenze.“ Er meint nur die eine – die nach Deutschland. „Letzte Woche hat wieder ein Fahrer von mir 36 Stunden in Forst angestanden. Ist das normal? Nein, das ist nicht normal!“ Der Rekord liege bei 72 Stunden, ruft Malinski und stemmt sich bei der Zahl aus seinem Sessel, dass das Leder knirscht.

Nun werden die Wartezeiten im deutschen Verkehrsfunk gern mit dem Hinweis versehen, dass die Abfertigung auf der polnischen Seite so lange dauere. Für Malinski arbeiten alle gleich langsam: „Jeder Lkw wird gewogen. Das dauert je zehn Minuten. Dann machen sie erst mal zu und trinken Kaffee.“ Die Warterei vor der Grenze bringt sämtliche Lenkzeiten durcheinander: Nach zehn Stunden müsste Feierabend sein, aber wer nicht nachrückt, werde im besseren Fall von Kollegen überholt und im schlechteren Fall von der Polizei ans Ende der Schlange geschickt.

Malinski macht nicht den Eindruck, als wäre seine Existenz in Gefahr. Der Laster neben seinem Haus ist ein Scania. Nicht gerade billig, aber es sind die besten, sagt Malinski. 420 PS, nur gut 30 Liter Diesel auf hundert Kilometer und eine Million Kilometer ohne große Reparaturen. 90000 Euro kostet eine Zugmaschine samt Anhänger. Alle elf seien bezahlt, sagt Malinski, aber dann kommt er doch wieder auf die Deutschen. Neulich habe einer seiner Fahrer von unterwegs angerufen, weil die Polizei 800 Euro für ein fehlendes Fahrzeugpapier kassieren wollte. Malinski drohte mit dem Anwalt, die deutschen Polizisten mit Stilllegung des Lasters. Drei Telefonate und ein Fax später stellte sich heraus, dass der Händler beim Verkauf des Trucks ein Dokument vergessen hatte. „Jede Woche ist so was“, sagt Malinski, der sein Handy deshalb stets bei sich trägt. In Holland oder Belgien würden seine Fahrer kaum behelligt. Wenn die Deutschen dagegen am Laster nichts auszusetzen hätten, würden sie den Tank prüfen: 600 Liter passen rein, aber nur 200 dürfen drin sein, damit Deutschland keine Steuern entgehen. Also nachgemessen – und kassiert. „Wir haben auch schon wegen drei Litern nachbezahlen müssen“, ruft Malinski, dass der Sessel knirscht. Ein Konkurrent habe sich auf Südosteuropa spezialisiert, weil er die Nase von den deutschen Beamten so voll hatte.

Malinski hat auch schon über neue Routen nachgedacht. Aber von Polen führen eben fast alle Wege in den Westen über Deutschland. Und in den Osten fährt er nicht: gefährlich und zu heikel, weil man zurück entweder leer oder mit Mafia-Ware fahren müsse. Also lässt Malinski seine Leute weiter an der Grenze stehen. Wenigstens sind die Fahrer nicht so teuer wie die Laster: Gut 650 Euro verdienen sie im Monat. Wirtschaftlich sind 36 Stunden Stau für Malinski also eher zu verkraften als für deutsche Spediteure. Er ist ein reicher Mann. Und ab Mai vielleicht auch ein glücklicher.

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