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Berlin: Reine Herzenssache

Käte Tresenreuter gründete das Sozialwerk Berlin Seit 35 Jahren setzt sie auf Selbsthilfe

Harry Tresenreuter ahnte nicht, was auf ihn zukommen sollte, als er vor 60 Jahren seiner Käte das Jawort gab. Sie war Hausfrau, zog drei Kinder groß, und er sicherte als Regierungsdirektor in der Steuerverwaltung das Einkommen der Familie. Alles schien in geordneten Bahnen zu verlaufen. Doch dann wurde nach rund 30 Ehejahren aus der fürsorglichen Hausfrau eine engagierte „Managerin“, und sie stellte ihren Mann vor die Wahl: Unterstützung oder Scheidung. „Ich bin froh, mich für meine Frau entschieden zu haben“, sagt Harry Tresenreuter. Heute ist der 83-Jährige richtig stolz auf sie: „Käte ist ein sehr mutiger Mensch.“

Respekt, Anerkennung und Freundschaft schlagen Käte Tresenreuter überall entgegen. Das Bundesverdienstkreuz und der Verdienstorden des Landes Berlin stecken schon an ihrem rotem Kostüm. Besonders beliebt ist sie vor allem bei ihren Mitstreitern im Sozialwerk Berlin. Das hat die heute 82-Jährige im Dezember 1971 gegründet, und noch immer leitet sie es als Vorsitzende. „Für uns ist sie wie eine Mutter“, sagt Anny Warmt (87). Aber sie ist keine Mutter Teresa. Sie will helfen, aber keine Almosen verteilen. Ihr Ziel ist die Hilfe zur Selbsthilfe. „Es wird in unserer Gesellschaft zwar viel über ältere Menschen gesprochen, aber nicht mit uns, dabei wissen wir selbst am besten, was gut für uns ist“, sagt Käte Tresenreuter. Sie legt Wert darauf, dass nicht von Alten gesprochen wird, sondern von älteren Menschen. „Das Wort Mensch verbindet uns alle“, sagt sie. Jedes Mitglied im Sozialwerk ist auch Mitarbeiter. Hierarchien gibt es nicht, trotzdem hat Käte Tresenreuter ihren Laden fest im Griff. Alles ist ehrenamtlich durchorganisiert, und sie ist die Managerin der Herzen.

Los ging alles in der Vaterunser-Gemeinde in Dahlem. Erst läutete sie nur die Glocken in der Kirche. Doch nach einem mehrmonatigen Krankenhausaufenthalt und dem Tod der Großmutter ihres Mannes packte sie die Wut. „Einsamkeit, wenig Aufmerksamkeit und Hoffnungslosigkeit machte sich unter den Älteren breit.“ Dagegen wollte sie ankämpfen und gründete zunächst einen Seniorenclub in der Gemeinde, der vor allem Heimbesuche organisierte. Schnell kamen weitere Projekte hinzu, und aus dem Seniorenclub wurde ein eigenständiger Verein: das Sozialwerk Berlin. Zuerst war das eigene Wohnzimmer in Wilmersdorf die Geschäftsstelle. Erst 1983 bezog das Sozialwerk sein neues Zuhause. Das bundesweit erste, immer noch einzigartige Selbsthilfezentrum für ältere Menschen in der Humboldtstraße 12 in Grunewald (Tel.: 891 10 51) ist jeden Tag geöffnet. Es gibt Werkstätten, Gemeinschaftsräume und sogar eine Kegelbahn. Die Senioren treffen sich zum Basteln, Arbeiten oder auch für Yoga-Kurse – alles selbst organisiert.

Doch Tresenreuter stieß mit ihrem Engagement nicht überall auf Zustimmung. Immer wieder musste sie um ihre Projekte kämpfen. Mit Leidenschaft, Überzeugungskraft und Hartnäckigkeit setzte sie ihre Ziele durch. Egal, ob sie in Berlin verhandeln musste oder auf europäischer Ebene. „Ich bin überall hingegangen und habe meine Meinung höflich vorgetragen“, sagt Tresenreuter. Mittlerweile hat sie die Gründung von Sozialwerken in den neuen Bundesländern unterstützt. Auch in Estland wurde ihr ein Orden verliehen, weil sie in Tallinn ein Selbsthilfezentrum nach Berliner Vorbild aufgebaut hat. Sie organisiert Kongresse zur Zukunft der Altenhilfe und empfängt Bürgermeister aus Japan, die sich ein Bild von ihrem Konzept machen wollen. „Nur Klaus Wowereit war noch nicht da“, sagt sie etwas enttäuscht.

Aber ihr Mann ist sicher, dass sie auch den Regierenden noch zu einem Besuch bewegen wird. Schließlich kennt Tresenreuter den Willen seiner Frau. Er ist von ihr überzeugt und bereut seine Entscheidung für Käte nicht: „Sie ist mein liebstes Hobby.“

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