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Reinickendorf: Bezirk bietet Strandhotel

Seit 1996 besitzt Reinickendorf eine prunkvolle Immobilie direkt am Ostseestrand. Jetzt will sich der Bezirk aus Kostengründen von dem Kleinod trennen.

Das vor mehr als 100 Jahren als Hotel errichtete Hansa-Haus in Kühlungsborn dient als beliebte Freizeit- und Übernachtungsstätte für Kinder- und Jugendgruppen. Jetzt will sich der Bezirk Reinickendorf aus Kostengründen von dem Kleinod trennen.

Am heutigen Mittwoch beschäftigt sich der Jugendhilfeausschuss der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) mit einem entsprechenden Antrag des Bezirksamtes. Danach soll das Hansa-Haus „zum frühestmöglichen Zeitpunkt“ zwecks Verkaufs an den Liegenschaftsfonds des Landes Berlin abgegeben werden. Das Votum des Gremiums hat nur empfehlenden Charakter. Die eigentliche Entscheidung treffen der Haushaltsausschuss am 30. August und die BVV am 8. September. Dort haben CDU und FDP als Befürworter des Verkaufs die Mehrheit. Die SPD zeigt sich dagegen skeptisch und will weitere Informationen.

Das Hansa-Haus verfügt in zwei Etagen über jeweils 30 Betten für Besuchergruppen sowie über drei Dreibettzimmer. Zum Komplex gehören eine Mehrzweckhalle und ein großer Garten mit Spielplatz und Grillecke. Gruppenmitglieder ab sechs Jahren zahlen im Sommer pro Tag 14 Euro plus elf Euro für Vollpension. Für 2011 werden Buchungen nur noch unter Vorbehalt angenommen. Pädagogen, die das Haus regelmäßig besuchen, reagierten entsetzt auf die Schließungspläne. Kindern und Bedürftigen werde „eine wunderschöne Erholungsmöglichkeit“ genommen, sagt eine Lehrerin.

Von Mai bis September ist die Freizeitstätte durch Schulklassen, Kita-, Sport- und Behindertengruppen sowie Familien mit geringem Einkommen gut ausgelastet, sagt Jugendstadtrat Peter Senftleben (SPD). Im vergangenen Jahr gab es 11 238 Übernachtungen. Gemeinsam mit dem Jugendhaus „Fuchsbau“ und Einrichtungen Freier Träger gehört die Ostsee-Immobilie zum Haushaltsposten „zielgruppenbezogener Übernachtungen“. In diesem Bereich erzielte Reinickendorf im letzten Jahr mit 88 701 Euro den zweithöchsten Überschuss aller Berliner Bezirke. Doch liegen die Kosten für die einzelne Übernachtung im Hansa-Haus laut Bezirksamt mit 44,33 Euro deutlich über dem Berliner Mittelwert von 26,79 Euro. Selbst bei einer Fremdvergabe von Beköstigung und Hausreinigung bliebe ein Jahresdefizit von rund 82 000 Euro. Ohne diese Mehrkosten wäre der Gesamtüberschuss im Etat rund 197 000 Euro höher.

Auf diese Mehreinnahmen will das Bezirksamt nicht verzichten, auch wenn noch fraglich ist, ob der Finanzsenator den Etat nach einem Verkauf des Hauses nicht entsprechend kürzen wird. Zumindest bliebe Reinickendorf die Beteiligung am Verkaufserlös. Über den Verkehrswert der Liegenschaft gibt es bisher keine Schätzung. Das denkmalgeschützte Gebäude galt bei seiner Eröffnung 1905 als eines der schönsten Hotelgebäude des Ostseebades. Während der Weltwirtschaftskrise wurde es 1929 für 230 000 Goldmark an die Stadt Berlin verkauft, die dort ein Kindererholungsheim einrichtete. Zu DDR- Zeiten diente das Gebäude als Kinderheim. Nach der Einheit ging es wieder in den Besitz Berlins über, wurde 1996 für mehrere Millionen D-Mark saniert und kam in die Trägerschaft des Reinickendorfer Jugendamtes. Rainer W. During

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