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Reinickendorf: Gefesselt, geknebelt, verprügelt

Maskiert und mit Messer und Schlagstock bewaffnet: Eine Familie wurde in ihrem eigenen Haus in Hermsdorf brutal überfallen. Vier Jugendliche müssen sich jetzt dafür vor Gericht verantworten.

Die vier Räuber hatten das stattliche Haus nicht tagelang beobachtet. Sie sahen nur die beiden hochwertigen Autos auf dem Grundstück in Hermsdorf. Um an die Schlüssel für den Porsche und den Mercedes zu kommen, hatten sie ausgemacht: „Tür eintreten, zuschlagen, Augen und Mund verkleben, fesseln, Autoschlüssel nehmen.“ So jedenfalls gab es später einer der Täter bei der Polizei zu Protokoll.

Sechs Monate nach dem Überfall begann gestern der Prozess gegen das Quartett. Erik S., Dennis Z. und Andreas J. sind 18 Jahre alt, ihr Komplize Peter R. drei Jahre älter. Sie kommen aus Reinickendorf, Friedrichshain und Weißensee, haben die Realschule absolviert und sind bislang kaum bei Polizei und Justiz aufgefallen. Doch als sie am Abend des 1. April in das Haus der Familie R. eindrangen, gingen sie berechnend und brutal vor. So hatte Andreas J. den Auftrag bekommen, „wie eine Dampframme durchs Haus zu laufen“.

Zwei der Täter waren laut Anklage mit Schlagstock und Messer bewaffnet. Alle vier waren maskiert, drei von ihnen trugen mit Quarzsand gefüllte Handschuhe. In ihrem Gepäck hatten sie Kabelbinder. Sie drangen gewaltsam in das Haus und stürmten durch die Räume. Andreas J. habe „im Vorbeigehen“ auf Sportmanager Abdilgafar R. eingeschlagen, dann drosch er auf dessen 35-jährige Ehefrau ein. Erik S. und Peter R. sollen sich auf den 45-jährigen Sportmanager gestürzt, ihn massiv geprügelt und getreten haben. Dennis Z. sah sich absprachegemäß im Obergeschoss des Hauses um. Er entdeckte die 18-jährige Tochter der Familie, warf sie vom Stuhl und schlug zu.

Der Vater erlitt Prellungen am ganzen Körper und einen Kreuzbandriss, die Mutter einen Nasenbeinbruch, die Tochter eine schmerzhafte Kieferverrenkung. „Eigentlich waren aber keine Verletzungen geplant“, meinte J., damals Klempner-Lehrling. „Nur überwältigen“, behauptete er. „Der Überraschungseffekt. Wir haben doch nicht mit Gegenwehr gerechnet.“ Andreas J. zog sich schließlich auf Erinnerungslücken zurück. Ob er die Frau geschlagen habe, könne er nicht mehr sagen. „Weiß nicht, warum ich mich nicht erinnern kann“, nuschelte der korpulente junge Mann gestern.

Drei der Angeklagten sagten, dass Erik S. die Idee zu einem Raubüberfall hatte. Andreas J. berichtete, dass er und Erik eine Firma gründen wollten. „Einen Limousinenservice“, meinte er, der gar keinen Führerschein besitzt. „Wir wollten Leute chauffieren.“ Der Kaufvertrag für einen Jaguar sei bereits unterschrieben gewesen. Doch die Bank, mit der sie über einen Kredit verhandelten, habe sie hängen lassen. „Deshalb wollten wir einen Luxuswagen stehlen und für mehr als 100 000 Euro verkaufen.“ Peter R. und Dennis Z. hätten jeweils 3000 Euro als Lohn bekommen sollen.

Bereits einen Abend vor dem Überfall auf die Familie R. waren die Angeklagten um ein Haus in Reinickendorf geschlichen. Doch als sie Bewegungsmelder und Überwachungskamera sahen, wurde ihnen die Sache zu heiß. Zur Vernunft kamen sie nicht. Dennis Z. war am nächsten Abend der erste, der verhaftet wurde. Dem Sportmanager war es gelungen, ihn festzuhalten. Der Prozess wird am Donnerstag voraussichtlich mit der Befragung der Opfer fortgesetzt.

Kerstin Gehrke

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