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Rekommunalisierung der Stadtversorgung: Kleiner Krieg ums Gas in Berlin

Geht es bei dem Streit zwischen SPD und CDU wirklich nur um die Gasversorgung in Berlin? Die Probleme, die das Verfahren mit sich bringt, sind schwerwiegend. Doch in Wahrheit steckt etwas ganz anderes dahinter.

Im Senat ist ein kleiner Gaskrieg ausgebrochen, bei dem selbst den fröhlichsten Freunden der stimmungsgetriebenen Rekommunalisierung von Berlins Stadtversorgung etwas schummrig werden dürfte. Zusätzlich pikant wird die Sache dadurch, dass die exponierten Antagonisten im schwelenden Konflikt ausgerechnet die beiden Freigeister von Wowereits Tafelrunde sind: Finanzsenator Ulrich Nußbaum, der als Parteiloser für die SPD antritt, und Justizsenator Thomas Heilmann, CDU.

Als Nußbaum vor zwei Wochen die Senatsrunde mit der Nachricht überraschte, die Gasag sei im Bieterwettkampf gegen das neugegründete, landeseigene Unternehmen „Berlin Energie“ unterlegen, war die CDU auf der Laterne und meldete umgehend rechtliche Zweifel an. Deutlicher wurde einige Tage später im CDU-Landesvorstand Justizsenator Heilmann, der seinen Parteifreunden sagte: Das sieht rechtswidrig aus. Damit waren die Linien klar: Auf der einen Seite der Jurist Nußbaum, der sich auf die Auswertung der Vergabekammer seiner Verwaltung stützt und auf die zuvor erfolgte Zustimmung der CDU zum Verfahren; auf der anderen Seite der Jurist Heilmann, von dem anzunehmen ist, dass er die einschlägigen Urteile des Bundesgerichtshofs und des Oberlandesgerichts Düsseldorf in ähnlichen Fällen kennt. Zum großen Showdown könnte es am nächsten Dienstag im Roten Rathaus kommen – Nußbaum braucht die Zustimmung des Senats.

Widersprüche und falsche Gewichtungen

Schon beim ersten Blick auf die Auswertung der Angebote, die Nußbaum vergeblich geheim zu halten versuchte, fällt der Widerspruch auf zu einer zentralen Anforderung, die sich aus dem BGH-Urteil ergibt. Nicht nur mit der umstrittenen „Change-of-control“-Klausel, die das Land bei einem Eigentümerwechsel gegen böse Überraschungen absichern soll, gerät das ganze Verfahren out of control. Die Gewichtung der einzelnen Punkte stimmt nicht, und die Zuordnung der Einzelkriterien zum Ergebnis ist nicht erkennbar. Es wird eine Abwägung beschrieben, an deren Ende Sätze stehen wie „ergibt sich ein deutlicher Vorteil“, „ist ein geringer Wertungsabschlag anzusetzen“, „ergibt sich ein deutlicher Wertungsabschlag“, „führt zu einem spürbaren Vorteil“. Spürbar?

So frei gefühlt entschieden lesen sich dann auch die Einzelergebnisse der Punktrichter: 40 zu 36, 48 zu 50, 25 zu 22, nichts davon en détail nachzuvollziehen, und am Ende siegt der Newcomer gegen das Traditionsunternehmen ganz knapp mit 311 zu 299. So wie lupenreine Demokratie eben aussieht, wenn’s ums Gas geht.

Alles Taktik?

Aber darum geht es ganz offensichtlich nicht nur. Die eklatantesten Widersprüche: Was treibt den wirtschaftsfreundlichen Finanzsenator an, sich in einer sachlich wenig relevanten Frage wie der Gasversorgung für die Kommunalisierung zu verkämpfen? Warum nimmt er, als Jurist sicher ebenfalls mit den einschlägigen Urteilen vertraut, das Risiko eines verlorenen Rechtsstreits in Kauf? Die möglichen Erklärungen: Es geht eigentlich gar nicht ums Gas, sondern um eine bessere Ausgangslage für den viel wichtigeren Strom, der noch zur Ausschreibung kommt; es geht um die Ausweitung des persönlichen Einflussportfolios; es geht um einen politischen Schaukampf. Bei alledem ist das Scheitern der Konzessionsvergabe womöglich sogar kalkuliert: Günstiger als durch dieses Verfahren war die Gasag noch nie. Auch noch nie zu haben.

Politisch kann das alles gewollt sein. Ein Justizsenator aber kann das nicht unterschreiben.

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