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Berlin: Renate Bookhagen (Geb. 1948)

Frauenlohn, Frauenhaus, Multikulti. Dann ein Versuch: Geschäftsfrau.

Hätte sie das Jahr 2008 gern erlebt? 40 Jahre Achtundsechzig, Rückblicke, Einblicke, den ganzen Erinnerungsrummel? Oder wäre es ihr egal gewesen, diese Zeit noch einmal anzuschauen? Die Vermutung liegt nahe, dass Renate Bookhagen abgewinkt hätte. Schon in den Siebzigern, sagen Freunde, habe sie mit der neuen Linken, in die sie einst mit wehenden Fahnen eingeritten war, gebrochen. Und am Ende ihres Lebens kaum noch Idole und nur wenig Freunde gehabt. Sie war einsam, sagen ihre Lebensmenschen, sie kam vom Alkohol nicht los. Am Ende: viel Tragisches um eine Frau, die einmal sehr schön war und kämpferisch, die Gutes wollte, auf ihre Art. Und auf traurige Weise starb. Finale einer unheilvollen Verquickung, in dem eine Leberzirrhose, das Wegdämmern über einer glimmenden Zigarette und geschwächte Organe eine Rolle spielten. Einige ihrer alten Gefährten erfuhren erst durch die Recherchen für diesen Text von ihrem Tod. Waren erschrocken, aber nicht verwundert.

Wäre heute noch Achtundsechzig, man könnte Renate Bookhagen aus der Zeitung kennen. Mitglied im linken Epizentrum, in SDS und KBW, und immer vorneweg in Sachen Frauenbewegung. Ein junges, attraktives Frauenzimmer, das gern lachte. Schwarze Mähne, braune Augen, Motorradbraut. Und Männertyp. Sie konnte viele haben. Und sie hatte sie. Wichtige Männer der Szene seinerzeit. Reinhart Wolff zum Beispiel, Erziehungswissenschaftler und Kinderladeninitiator. Doch nie war das für immer. Wer über sie bestimmen wollte, den gab es bald nicht mehr in ihrem Leben. Das galt für alle und für jeden. Die Autorität von anderen war ihr unerträglich. Ein Kindheitstrauma? Die Strenge eines kriegsversehrten Vaters, der züchtigte und erste, zarte Briefe von Verehrern kontrollierte? Schwester Christel vermutet im Herzen ihrer Schwester Vergrabenes, an das sie niemanden heranließ. Einen Therapeuten schon gar nicht. In Sachen Erforschung des eigenen Ichs war Renate Bookhagen kein Kind ihrer Zeit.

Sonst aber schon. Journalistin und Autorin will sie sein mit Anfang 20, eine gute und berühmte, Frauenthemen. An der FU studiert sie Soziologie. Kürzlich stand bei Ebay ein schmales rotes Büchlein zum Verkauf, das Thema: „Frauenlohnarbeit“, die Autorin: Renate Bookhagen. Eine Schrift von 1973, herausgegeben im verblichenen Verlag Roter Stern.

Das erste Frauenhaus Deutschlands geht auf ihr Engagement zurück, sie schreibt für Emma und ist kurz mit Alice Schwarzer eng. Doch weil auch feministisch bewegte Frauen autoritär sein können und Alice Schwarzer ganz besonders, ist Renate Bookhagen oft schnell wieder raus aus den Projekten. Meistens geht sie selbst. Anfang der Achtziger macht sie bei „Zitty“ mit, schreibt Artikel zu Multikulti und nimmt das Entstehen von Parallelgesellschaften vorweg. Ihr enger Mitarbeiter Rainer Bieling, Journalist bis heute, erinnert sich an eine befreundete Kollegin, die besser schrieb als er.

Renate Bookhagen verbringt viele Monate in Afrika, sie leistet Aufbauhilfe, arbeitet von dort aus journalistisch. Ende der Achtziger ein Imagewandel: Nicht nachvollziehbar für einige der Freunde, die Familie. Renate Bookhagen least einen Mercedes, trägt Kostüme, will als Geschäftsfrau vorwärtskommen. Ihr neues Fach: Public Relation. Wieder einmal arbeiten sie und Rainer Bieling zusammen. Er, jetzt Chefredakteur bei der Zeitschrift „Guter Rat“, muss eine Großveranstaltung für sein Blatt und mit dem ADAC in Dresden organisieren. Er gibt ab an Freundin Renate, und die macht ihren Job vorzüglich. Von da an werden die Kontakte Bieling/Bookhagen dünner. Sie hatte auf einmal nur noch Leute um sich, erinnert sich der Journalist, die allesamt kein gutes Ende nahmen.

Der Erfolg, so sehr ersehnt, bleibt aus, es kommt der Alkohol. Die Zehlendorfer Wohnung wird ihr Rückzugsort, die Katze spendet Trost. Renate Bookhagen, die an beiden Enden brannte, wie eine Bekannte sagt, hat aufgegeben. Und wenn sie selbst an Achtundsechzig nicht mehr gern dachte – andere doch schon. Und auch an sie. Judka Strittmatter

Judka Strittmatter

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