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Bühne frei fürs MusICCal. Das Kongresszentrum am Funkturm ist stillgelegt und glitzert nachts nur außen – drinnen soll irgendwann auch mal wieder Glamour einziehen.

© picture alliance / dpa

Rettung des ICC in Berlin-Charlottenburg: Ein neues Kaufhaus für den Westen

Freizeitangebote und ein Einkaufszentrum lohnen sich, Hotelbetten gar nicht: Für die Zukunft des ICC gibt es ein Gutachten – mit 216 Seiten voller Analysen. Für einige Überlegungen fehlt aber das Tageslicht.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die Botschaft ist eindeutig: Das Internationale Congress Centrum (ICC) kann nur wiederbelebt und wirtschaftlich betrieben werden, wenn es an einen privaten Investor verkauft, mindestens teilweise entkernt und zu einem klassischen Shoppingcenter umgebaut wird. Ausdrücklich als Gegenpol zu ähnlichen Zentren in Berlins Mitte, die schon viel Kaufkraft binden. „Um dem entgegenzuwirken, besteht seitens der potenziellen Investoren hohes Interesse, ein weiteres Projekt mit Einzelhandel im Westen Berlins anzusiedeln“, heißt es in einem Gutachten, das von der Beraterfirma Drees & Sommer im Auftrag der Wirtschaftsverwaltung des Senats erarbeitet wurde.

Nach derzeitigem Wissensstand sei nur dieses Konzept zur Rettung des ICC finanzierbar, steht in dem 216 Seiten starken Bericht, der dem Tagesspiegel vorliegt. In diesem Fall müsste ein Privatinvestor lediglich 53 Millionen Euro zuschießen. Hinzu kämen 200 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt, die der Senat für das ICC in Reserve hält. Bei allen anderen Varianten müssten „seitens des Senats erhebliche weitere Mittel freigegeben werden“, sagen die Gutachter. Für das Modell „Shopping“ spreche auch die hohe Zahl der interessierten Investoren.

Als zweitbeste Lösung, die unter günstigen Umständen noch wirtschaftlich machbar wäre, bietet das Gutachten ein „House of Interaction and Living“ an. Gemeint ist eine spezielle Form des Einzelhandels, mit vielen kleinen, schick gestalteten Läden, weitgehend ohne Filialisten. „Das Erleben der Produktwelt steht im Vordergrund.“

Vorbilder seien Zentren in Osaka (Elektronik) oder Turin (Lebensmittel), heißt es im Bericht. Diese Nutzung ließe sich ergänzen mit Flächen für Sport/Fitness inklusive Bowling, Gastronomie, Clubs oder eine Kindererlebniswelt. Oder für Ausstellungen, Kunst und Kultur, Kino und Musicaltheater. Ein „Casino mit klassischem Spiel“, das es bisher nur am Potsdamer Platz gebe, sei ebenfalls als ergänzende Nutzung machbar.

Für andere Lösungen ist es zu dunkel

Ein Hotel, Wohnungen oder Büros im ICC-Gebäude schließt das Gutachten schon deshalb aus, weil es dort kein Tageslicht gibt. Der Bau eines Hotels und zusätzlicher Büroräume sei aber in einem Neubau denkbar, der an der Stelle des Parkhauses entstehen könnte. Das sei ohnehin abrissreif. Die Ansiedlung von Wissenschaftseinrichtungen, einer Klinik oder von Handwerksbetrieben scheide aus. Auch für einen modernen Kongressbetrieb sei das ICC weniger geeignet – und „tendenziell unwirtschaftlich“.

Den immer noch diskutierte Umbau des ICC zu einer Zentral- und Landesbibliothek schließen die Gutachter nicht aus, sehen dies aber schon aus finanziellen Gründen sehr skeptisch. So eine „rein öffentliche“ Nutzung würde 484 Millionen Euro kosten. Eine utopisch hohe Summe, die aus dem Berliner Haushalt bezahlt werden müsste. Ganz zu schweigen von den Folgekosten, die ebenfalls vom Land Berlin zu tragen wären.

Die Rettung des ICC wird schwierig

Die Vorschläge von Drees & Sommer setzen voraus, dass nicht nur das Parkhaus abgerissen, sondern auch die gigantische Tragwerkstruktur wenigstens im oberen Saalgeschoss entfernt wird. So wäre es möglich, drei bis fünf weitere Ebenen in das Gebäude einzuziehen, als Voraussetzung für eine kommerzielle Nutzung, die rentabel wäre. Denn zurzeit seien weniger als zehn Prozent der Gesamtfläche des ICC tatsächlich vermarktbar. Die Technik, die ihre Nutzungsdauer längst überschritten habe, müsste ersetzt und Schadstoffe entfernt werden.

Die Fassade sei in gutem Zustand, aber sehr verschmutzt und müsse „energetisch ertüchtigt“ werden. Auch der Beton sei sanierungsreif. Andererseits loben die Gutachter das ICC als architektonisches Unikat und „baukulturelle Visitenkarte Berlins“. Solche „schlafenden Riesen“, die das Stadtbild prägen, aber ihre Nutzung verloren haben, gebe es leider in vielen Städten der Welt.

Nebenbei erwähnt der Bericht, dass während der Bauarbeiten die Stadtautobahn A 100 und „weitere Verkehrswege“ wohl teilweise gesperrt werden müssten. Voraussichtlich müsse ein neuer Bebauungsplan erarbeitet werden. Das Urheberrecht des Architekten und Belange des Denkmalschutzes seien zu beachten. Außerdem empfehlen Drees & Sommer dem Senat aus vergaberechtlichen Gründen dringend eine EU-weite Ausschreibung und die akribische Prüfung des europäischen Beihilferechts.

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