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Berlin: Revolutionäre Zellen: Angeklagter gesteht Schüsse auf Richter

Acht Monate lang saß Rudolf Schindler schweigend auf der Anklagebank. Wie die anderen vier Angeklagten, darunter seine Ehefrau Sabine Eckle.

Acht Monate lang saß Rudolf Schindler schweigend auf der Anklagebank. Wie die anderen vier Angeklagten, darunter seine Ehefrau Sabine Eckle. Gestern aber sorgte der 59-Jährige für eine spektakuläre Wende in dem letzten großen Prozess um den Terror der linksextremen "Revolutionären Zellen" (RZ). Schindler legte ein Teilgeständnis ab. Er gab zu, dass er in den 80-er Jahren an drei gewalttätigen Aktionen gegen die bundesdeutsche Asylpolitik beteiligt war. Er gestand, 1987 auf einen Berliner Bundesrichter geschossen zu haben. Und er bezeichnete den Kronzeugen, auf den sich die Bundesanwaltschaft stützt, als Lügner.

Für die überraschende Erklärung ihres Mandanten hatten die Verteidiger Gegenleistungen ausgehandelt. Schindler und seine 55-jährige Ehefrau kamen nach etwa zweijähriger Untersuchungshaft frei. Zudem sicherte das Kammergericht mit Zustimmung der Bundesanwaltschaft aufgrund der Aussage eine "Strafobergrenze" zu: Maximal drei Jahre und neun Monate Haft im Falle einer Verurteilung Schindlers.

Der gelernte Werkzeugmacher Schindler ist der erste der Angeklagten, der sich zumindest teilgeständig zeigte. Er sprach über seine Kindheit in Schlesien, seine Ausbildung zum Werkzeugmacher, sein Engagement bei der "Ostermarsch-Kampagne", die Mitgliedschaft in der SPD in den Sechzigern und schließlich seine Zeit bei den linksterroristischen "Revolutionären Zellen" in Berlin. Deren "Flüchtlingskampagne" sei für ihn nach einer längeren Zeit im Ausland Grund gewesen, wieder "politisch aktiv" zu werden. Mitglieder der RZ sollen seit 1973 bundesweit mindestens 186 Brand-, Sprengstoff- und andere Anschläge verübt haben.

"Als Herr Korbmacher auf dem Weg zu seiner Garage war, schoss ich", hieß es in der Erklärung von Schindler, dem die Bundesanwaltschaft Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung vorwirft. Günter Korbmacher war damals Vorsitzender eines Asylsenats des Bundesverwaltungsgerichts. Zwei Schüsse trafen Korbmacher am 1. September 1987 in den Unterschenkel. Der Anschlag sei wegen der "harten Urteile" des Richters verübt worden, sagte Schindler.

Dieser Vorwurf basiert wie alle Punkte der Anklage auf der Aussage eines Mannes, der damals selbst zu den RZ gehörte: Tarek Mousli. Der 42-jährige Kampfsportlehrer war im November 1999 festgenommen worden und diente sich der Bundesanwaltschaft als Kronzeuge an. Er bekam eine neue Identität und eine milde Bewährungsstrafe. Mousli sei ein "Lügner und Verleumder", erklärte Schindler nun. Er sei von dem Kronzeugen zu Unrecht als "Rädelsführer" und sogar als "Schütze der RZ" bezichtigt worden. Entgegen den Behauptungen von Mousli habe er nur einmal geschossen. Und anders als von dem Kronzeugen berichtet, sei Sabine Eckle "nie direkt" an einem Anschlag beteiligt gewesen.

Neben dem Attentat auf Korbmacher werden Schindler ein weiterer Anschlag durch Beinschüsse im Jahre 1986 auf Harald Hollenberg, damals Leiter der Berliner Ausländerbehörde, und das Sprengstoffattentat auf die Zentrale Sozialhilfestelle für Asylbewerber (ZSA) im Februar 1987 zur Last gelegt. Die Vorwürfe der Körperverletzung sind zwar verjährt, aber in den Anschlägen sieht die Anklage Beweise für die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung.

Mousli wisse, dass im Falle von Hollenberg eine Frau geschossen habe, erklärte Schindler. Er selbst habe den hohen Beamten lediglich in Schach gehalten. Bei dem Anschlag auf die ZSA sei sogar der Kronzeuge der Haupttäter gewesen. Mousli habe den Sprengsatz abgelegt, sagte Schindler, er selbst habe Aufpasserdienste geleistet. Der Kronzeuge hatte die Rollen genau andersherum beschrieben.

Kerstin Gehrke

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