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Knusprig, saftig, das hebt die Stimmung im Familienkreis.

© Mike Wolff

Rezept für den Festtagsbraten: So gelingt die Weihnachtsgans ohne Stress

Ganz sicher nicht besinnlich: Seit Jahrhunderten bedeutet der Gänsebraten ein Martyrium für den, der ihn zubereiten muss. Das geht auch anders, zeigt "Tagesspiegel Genuss". Unsere Restaurantkritiker kochen, ein Sternekoch kritisiert.

Von Kai Röger

Es ist ein ebenso schöner wie genussbringender Brauch, sei es nun zu Heiligabend, den Feiertagen danach oder – für ganz Gewiefte – last minute, wenn die noch nicht verkauften Gänse als delikate Schnäppchen angeboten werden: Ein Gänsebraten gilt als eines der festlichsten Gerichte überhaupt, auch wenn nicht ganz klar ist, woher die Tradition eigentlich stammt. Das Geschnatter wachsamer Gänse soll Sankt Martin verraten haben, deshalb werden alljährlich ab dem Namenstag des Märtyrers am 11. November ihre Nachfahren verspeist. Eine andere Erklärung könnte sein, dass zur Adventszeit früher gefastet wurde. Am Ende standen das Versprechen auf Vergebung aller Sünden und der Braten aus einer fetten Gans in reinweißem Gefieder.

Wie auch immer, seit Jahrhunderten bedeutet der Festtag für den, der den Braten zubereiten muss, ein am frühen Morgen beginnendes Martyrium. Die Gans muss während des Bratens immer beobachtet werden, die Garzeit allein bindet einen mindestens vier Stunden an den Ofen. Die Beilagen wollen vorbereitet sein, und ist die Gans endlich fertig, müsste eigentlich noch eine Sauce gezogen werden. Steht der Braten dann auf dem Tisch, wird er in Windeseile verputzt und die Küchenmannschaft – glücklich, wer Hilfe hat – ist für den Rest des Tages mit Herdschrubben und Küche polieren beschäftigt. Besinnlich geht anders, weshalb immer mehr Familien auf dieses Festtagsritual verzichten.

Tipps von Meisterköchen

Ist der Gänsebraten ein Auslaufmodell? „Gans im Gegenteil“, sagte da der Kollege Bernd Matthies. „Man kann die Gans am Vortag so vorbereiten, dass man sie am Festtag entspannt in weniger als einer Stunde fertigstellen und obendrein noch eine vernünftige Sauce aus den Knochen ziehen kann.“ Man muss wissen, dass der Mann seit Jahrzehnten den Köchen über die Schulter schaut und sein Wissen um das Gänsebraten auf Techniken der Kochlegende Kurt Jäger und des „Berliner Meisterkochs“ Markus Semmler fußt. Wir baten Bernd Matthies, dieses Wissen mit uns zu teilen und eine Gans in zwei Tagen zuzubereiten, Rotkohl gleich inbegriffen.

Die übrigen Beilagen stammen aus den Tiefen von Kai Rögers saarländischer Muttiküche: Majorankartoffeln und Serviettenknödel mit Innereien (denn so wird alles verwertet, gibt den Knödeln zusätzlich Geschmack und setzt kleine Texturakzente). Beides kann aufs Entspannteste über zwei Tage zubereitet werden.

Eine Küche war schnell gefunden – danke an die Miele Gallery und pardon wegen des hinterlassenen Schlachtfeldes. Und auch ein Gänsesponsor war zur Stelle – danke an Havelland Express, der uns eine frische Dithmarscher Gans spendierte.

Sternekoch als Tester

Damit das ganze Experiment glaubwürdig ist, baten wir Hendrik Otto, Küchenchef im „Lorenz Adlon Esszimmer“, hinzu, allerdings nicht als Küchenbeistand, sondern – Gans im Gegenteil – als unabhängigen Experten, der das Essen bewerten sollte. Frei nach dem Motto: Kritiker kochen – Köche kritisieren.

Kleine Kritikerrunde: Adlon-Küchenchef Hendrik Otto (r.) und die beiden Hobbyköche Kai Röger und Bernd Matthies.
Kleine Kritikerrunde: Adlon-Küchenchef Hendrik Otto (r.) und die beiden Hobbyköche Kai Röger und Bernd Matthies.

© Mike Wolff

Das Ergebnis konnte sich sehen lassen, auch wenn wir uns in der Schlussphase ein wenig von Hendrik Otto und seinen Menü-Vorbereitungen für das Dinner mit Barack Obama ablenken ließen und dabei fast die Gans unterm Grill vergessen hätten. Aber die Verbrennungen blieben im Rahmen und Hendrik Ottos Urteil fiel zwar detailreich und versiert, aber insgesamt doch versöhnlich und zudem so aus, dass wir ein bisschen stolz auf uns sein konnten. Aber das ist eine andere Geschichte – zu sehen in einem kleinen Video auf unserer Facebook-Seite.

Das Rezept zum Nachkochen

Das alles brauchen Sie fürs ultimative Festessen.
Das alles brauchen Sie fürs ultimative Festessen.

© Mike Wolff

Am Vortag

ZUTATEN
Für den Braten
1 frische Gans (mindestens 5 kg) mit Innereien
Zwiebel- und Apfelviertel
Salz, Pfeffer, Kräuter (Beifuß, Majoran)
Für den Rotkohl
1 kg Rotkohl
1 TL Salz, 1 EL Zucker
Saft einer ½ Zitrone
6 EL Essig, 1 EL Butter
1 säuerlicher Apfel
½ Fl. Rotwein
½ Zimtstange,
2 Nelken, 1 Lorbeerblatt,
2 EL Johannisbeergelee
2 TL Speisestärke
Für die Majorankartoffeln
1 kg Kartoffeln
(festkochend), 2 Zwiebeln
½ l Rindfleischbrühe
1 Knoblauchzehe
1 EL Majoran
1 Lorbeerblatt
Für den Serviettenknödel
1 altbackenes Weißbrot oder 6 trockene Schrippen, 1 Zwiebel, 0,3 l Milch
50 g durchwachsener Speck, etwas Gänsefett,
Innereien der Gans (zerkleinert), 5 Eier, 1 Bund Petersilie, Salz, Pfeffer, Muskat
Für die Marinade
2 EL Honig
1 EL Sojasauce

ZUBEREITUNG
Am Vortag
Gans fast fertig braten, tranchieren, Fond aus Gänse-Karkassen ansetzen, Rotkohl marinieren, Serviettenknödel vorbereiten, Majorankartoffeln fertig zubereiten.

Die Gans
Die Fettdrüse (Bürzel) entfernen und bei geringer Hitze das Fett auskochen.
Die Gans innen und außen kräftig würzen und bei 120 Grad auf einem Rost mit Blech darunter oder im Bräter, mit ein bisschen Wasser angesetzt, ohne Deckel in den Ofen schieben, ca. eine Stunde braten. Jede weitere Stunde (bei 5 kg rechnet man ca. 4 Stunden Bratzeit) die Ofentemperatur um 20 Grad erhöhen (dadurch gart die Gans langsamer und der Saft wird nicht aus dem Fleisch gepresst). Danach die Gans aus dem Ofen nehmen und handwarm auskühlen lassen. Tranchieren, wobei die Brust mit den Knochen herausgeschnitten werden sollte, so bleibt sie saftiger.

Muss schön lange köcheln: der Fond aus den Karkassen.
Muss schön lange köcheln: der Fond aus den Karkassen.

© Mike Wolff

Anschließend die Knochen klein hacken, mit klein gewürfeltem Suppengemüse, dem Hals und den Flügeln in Gänseschmalz anbraten und kräftig Farbe nehmen lassen. Mit Geflügelbrühe ablöschen und bedecken. Dann 2,5 Stunden im Topf oder eine Stunde im Drucktopf kochen lassen. Alles abseihen, den Gänsefond in einen hohen Becher füllen, damit sich das Fett beim Erkalten über Nacht absetzen kann.

Der Rotkohl
1 kg Rotkohl schneiden und marinieren mit TL Salz, EL Zucker, Saft einer halben Zitrone, 6 EL Essig. Das Ganze durchmassieren und zusammen mit einem säuerlichen Apfel in kleine Stifte geschnitten über Nacht stehen lassen.

Schön "schlonzig" in reichlich Brühe gegart: Omas Majorankartoffeln
Schön "schlonzig" in reichlich Brühe gegart: Omas Majorankartoffeln

© Mike Wolff

Die Majorankartoffeln
Kartoffeln, Zwiebel, Knoblauch in einen Topf geben, mit kalter Fleischbrühe auffüllen (die Kartoffeln sollten nicht ganz bedeckt sein, wird es zu trocken, Brühe nachgießen) und zum Kochen bringen. Nach zehn Minuten den Majoran, nach weiteren fünf Minuten das Lorbeerblatt hinzugeben. Sind die Kartoffeln weich gekocht, sollten sie „schlonzig“ in einer sämigen Majoranbrühe liegen (notfalls bei starker Temperatur einkochen). Zuletzt Lorbeerblatt und Knoblauchzehe entfernen, mit Salz, Pfeffer und reichlich Muskat abschmecken. Am besten über Nacht ziehen lassen.

Werden am Ende in der Pfanne kross gebraten: die Scheiben vom Serviettenknödel.
Werden am Ende in der Pfanne kross gebraten: die Scheiben vom Serviettenknödel.

© Mike Wolff

Die Serviettenknödel
1 altbackenes (nicht komplett ausgetrocknet) Weißbrot oder 6 altbackene Schrippen in dünne Scheiben schneiden, in eine große Schüssel geben. Eine Zwiebel und 50 Gramm durchwachsenen Speck klein würfeln, in der Pfanne mit Gänsefett glasig dünsten, klein gewürfelte Innereien (Magen, Herz) dazu geben und nur kurz anziehen lassen. Die klein geschnittene Leber hinzugeben und sofort von der Hitze nehmen. Leber und Innereien sollen nicht durchgegart werden. Derweil ca. 0,3 l Milch erhitzen und mit dem Pfanneninhalt, 5 aufgeschlagenen Eiern sowie klein gehackter Petersilie über die Brotscheiben gießen, durchmischen, mit Salz, Pfeffer und Muskat abschmecken und die Schüssel mit Frischhaltefolie bedeckt eine halbe Stunde ziehen lassen. Portionsweise in Frischhaltefolie geben und die Enden wie ein Bonbon zudrehen. Die Rolle nicht zu fest zusammendrücken, die Folie sollte aber den Kloß wasserdicht umschließen. Noch einmal mit Alufolie umwickeln, um die Rolle in Form zu bringen. Im Dampfgarer oder im Wasserbad ca. 25 Minuten garziehen lassen.

AM WEIHNACHTSTAG
Mit minimalem Aufwand Sauce und Rotkohl fertig stellen, die Gänsekeulen und -brüste knusprig grillen, die Knödel ausbacken, die Majorankartoffeln erwärmen.

Die Sauce
Den Fond grob entfetten und in einem kleinen Topf bei großer Hitze auf die gewünschte Konsistenz und Menge reduzieren. Zuletzt mit einem Stück kalter Butter seidig montieren und abschmecken.

Die Gans
Eine Honig-Sojasaucen-Marinade herstellen (Honig, Sojasauce, Wasser im Verhältnis 1:1:2 miteinander verrühren), die Gänsehaut damit bestreichen, im Umluftgrill in wenigen Minuten knusprig grillen. Vorsicht: Je mehr Marinade verwendet wurde, desto schneller bräunt die Haut.

Der Rotkohl
Zwei große Zwiebeln in Würfel schneiden. 50 Gramm Zucker mit einem Esslöffel Butter hellbraun karamellisieren lassen, Zwiebelwürfel hinzu geben und mit andünsten. Dann mit 3 EL Essig ablöschen. Zum Rotkohl mit der Marinade eine halbe Flasche Rotwein, eine halbe Zimtstange, zwei Nelken, ein Lorbeerblatt und zwei EL Johannisbeergelee geben. Im Schnellkochtopf 20 Minuten, im normalen Topf, je nach gewünschter Konsistenz, 1,5 Stunden kochen lassen. Den Sud abgießen, in einem kleinen Topf auf einen Viertelliter reduzieren lassen und mit 2 TL Speisestärke binden. Dann den Sud zurück zum Rotkohl geben und gut durchrühren. Zuletzt ein bisschen Butter und – nach Geschmack – frisch geriebenen Ingwer unterrühren. Mit Salz und Pfeffer abschmecken.

Die Majorankartoffeln
Bei niedriger Hitze erwärmen, eventuell noch einmal abschmecken.

Der Serviettenknödel
Die fertige Knödelrolle auspacken und in daumendicke Scheiben schneiden.
Im ausgelassenen Gänsefett knusprig anbraten.

Anrichten
Einer der Hauptkritikpunkte von Sternekoch Hendrik Otto, der zum Testen vorbei kam, war die Temperatur der einzelnen Komponenten. Er empfahl, statt alles hübsch auf einem Teller anzurichten, die Gänseteile und Majoran-kartoffeln, den Rotkohl, die Sauce und die Knödel in großen Schüsseln und Schalen auf den Tisch zu stellen, damit die Gäste sich selbst bedienen. So bleibt alles länger warm und es ist gemütlicher. Recht hat er!

Gans im Gegenteil: Die zufriedenen Restaurantkritiker Kai Röger (l.) und Bernd Matthies mit Gänsebraten on der Miele Gallery. Dann kam Adlon-Sternekoch Hendrik Otto zum Probieren vorbei...
Gans im Gegenteil: Die zufriedenen Restaurantkritiker Kai Röger (l.) und Bernd Matthies mit Gänsebraten on der Miele Gallery. Dann kam Adlon-Sternekoch Hendrik Otto zum Probieren vorbei...

© Mike Wolff

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