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Berlin: Richter sollen Eltern Sorgerecht früher entziehen

Justizminister wollen Familienrecht ändern, um Problemkindern besser helfen zu können

Von Sabine Beikler

Seine kriminelle Karriere begann schon in der zweiten Klasse, mit 16 Jahren ermordete Ken M. den siebenjährigen Christian aus Zehlendorf. Dem Jugendamt war Ken M. seit Jahren bekannt, doch man verzichtete darauf, den Jungen aus der Familie zu nehmen, weil er damit nicht einverstanden war. Ein anderer Fall geschah vor einigen Tagen: Ein zwölfjähriger Schüler schlug einer Lehrerin mit der Faust so hart ins Gesicht, dass die 63-jährige Frau operiert werden musste – die Eltern des polizeibekannten Jungen verweigerten zunächst jegliche Zusammenarbeit mit dem Jugendamt. Nach dem jüngsten Beschluss der 16 Justizminister der Länder vom vergangenen Freitag sollen in solchen Fällen Familienrichter künftig schneller in das Sorgerecht eingreifen und Kinder gegebenenfalls der Obhut der Eltern entziehen können.

Bis zum Eingreifen der Familiengerichte vergehe häufig viel Zeit, sagt Berlins Justizsenatorin Karin Schubert (SPD), die sich in einer bundesweiten Arbeitsgruppe während der Koalitionsverhandlungen für eine Änderung des Familienrechts eingesetzt hat. „Bisher muss das Jugendamt einen Antrag beim Familiengericht stellen, wenn es der Auffassung ist, dass Eltern versagen und deshalb das Kindeswohl gefährdet ist“, sagte Schubert. Die Gerichte sollen jedoch schneller reagieren können: Das will Schubert durch eine Änderung im Paragraphen 1666, BGB, in dem es um gerichtliche Maßnahmen bei der Gefährdung des Kindeswohls geht, ändern. Schubert kritisierte die schleppende Zusammenarbeit zwischen Familiengerichten und Jugendämtern. So sollen die Jugendämter künftig Berichte über die Situation von Problemfamilien innerhalb einer festgesetzten Frist verfassen. Die Senatorin fordert auch, dass die Ämter uneingeschränkt Daten an die Gerichte weitergeben, was derzeit untersagt ist.

Bisher müssen Täter unter 14 Jahren laufen gelassen werden. Daran wollen die Justizminister festhalten: Einstimmig haben sie eine Herabsetzung der Strafmündigkeit von 14 auf zwölf Jahre abgelehnt. Schubert will aber den Begriff des Kindeswohls im Gesetz erweitern. Das Kindeswohl sei auch dann gefährdet, wenn ein Kind wiederholt Straftaten begeht und „Eltern keine Erziehungshilfen annehmen wollen“. Dann sollen Familiengerichte den Eltern auch Weisungen erteilen dürfen: Reagieren sie nicht darauf, sollen die Kinder auch aus den Familien herausgenommen werden können.

Bis Ende des Jahres will das Bundesjustizministerium Ergebnisse einer Arbeitsgruppe vorlegen. Eine Gesetzesänderung beim Sorgerecht werde „geprüft“, sagte eine Ministeriumssprecherin.

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