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Berlin: Richtfest für den Neubau neben der einstigen "Ständigen Vertretung der BRD in der DDR"

"Geschichtsträchtig" sagt man wohl zu Gebäuden mit einer solchen Vergangenheit, wie sie das Haus Hannoversche Straße 30 vorweisen kann. Jeder Mensch in der DDR wusste, dass sich in dem hellen sechsgeschossigen Block gegenüber der Chausseestraße die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in der DDR befand.

"Geschichtsträchtig" sagt man wohl zu Gebäuden mit einer solchen Vergangenheit, wie sie das Haus Hannoversche Straße 30 vorweisen kann. Jeder Mensch in der DDR wusste, dass sich in dem hellen sechsgeschossigen Block gegenüber der Chausseestraße die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in der DDR befand. Unübersehbar patrouillierten nicht nur uniformierte Volkspolizisten vor diesem Haus mit dem Bundesadler an der Eingangstür, auch Zivilisten von der Stasi machten das "Objekt 499" zu einem der am besten bewachten Häuser in Ost-Berlin. Und die standen nicht nur mit den Händen in den Taschen da: In mehr als 400 Fällen wurden DDR-Bürger "wegen unerlaubter Kontaktaufnahme" verhaftet und verurteilt. In die Schlagzeilen kam das Haus (in dem zwischen 1974 und 1990 Günter Gaus, Klaus Bölling, Hans-Otto Bräutigam und Franz Bertele auf dem Chef-Stuhl saßen), als zahlreiche DDR-Bürger in der "Hannoverschen" Zuflucht suchten, um ihre Ausreise zu erzwingen. Den ersten "Zufluchtsfall" gab es schon 1975, im Sommer 1989 war die Vertretung mit 130 Ausreisewilligen wochenlang überfüllt und musste zeitweise geschlossen werden, bis Rechtsanwalt Vogel die Versicherung abgeben konnte, dass den Botschaftsflüchtlingen, wenn sie das Gebäude verlassen, die Ausreise genehmigt wird.

Die Leute kampierten damals vor allem in dem 1974 gebauten Gartenhaus, einem angeblich abhörsicheren zweigeschossigen Würfel. Der Pavillon gilt heute als Sachzeuge für die in der Ära Willy Brandt eingeleitete neue Ost- und Deutschlandpolitik; hier wurden geheime Gespräche geführt und Pläne entworfen, aber auch gesellschaftliche und kulturelle Ost-West-Begegnungen arrangiert, 1981 gab es die einzige Beuys-Ausstellung in der DDR, freilich intern auf dem klassenfeindlichen Territorium.

Die Geschichte des Hauses, das samt Gartenpavillon seit 1995 unter Denkmalschutz steht, reicht weiter zurück: Der Bau entstand 1914 als Kaserne für eine Kompanie des Kaiser-Alexander-Garde-Grenadier-Regiments Nr.1, in der auch der junge Lyriker Hans Leip seinen Militärdienst ableistete. Im April 1915 schrieb er in dieser "Kaserne vor dem Oranienburger Tor" das weltberühmte Soldatenlied von der "Lili Marleen". Im zweiten Weltkrieg brannte das Haus aus, wurde 1947 für das Institut für Bauwesen wieder aufgebaut. Hans Scharoun setzte ein lichtes Dachgeschoss auf den Bau: In diesem, heute wieder genutzten Atelier wurden die wichtigsten Entscheidungen zum Wiederaufbau Berlins getroffen, und die Meister- und Experimentalwerkstätten unter Hermann Henselmann, Richard Paulick und Hanns Hopp bearbeiteten hier die Pläne für die Stalinallee, für Eisenhüttenstadt, den Wiederaufbau der Staatsoper Unter den Linden und des Forum Fridericianum.

Heute beherbergt das Haus den zweiten Dienstsitz des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, und elf Monate nach dem ersten Spatenstich feierten gestern die Ministerin Edelgard Bulmahn, Klaus Böger (mit einer professionell perfekten ersten Rede als Bürgermeister), die Bauleute und Architekten das Richtfest für den modernen Erweiterungsbau, der sich an das historische Gebäude anschließt. Übrigens: Es war der letzte Richtkranz, der über einen Ministeriums-Neubau hochgezogen wurde.

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