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Berlin: Richtungswechsel: Ku’damm für Demo tabu Verwaltungsgericht schreibt Protestierern eine andere Route vor – und begründet Einschränkungen erstmals mit den Interessen der Händler

Die Händler am Kurfürstendamm feiern einen kleinen Sieg mit möglicherweise großer Bedeutung: Das Verwaltungsgericht hat erstmals eine Demonstration auf dem Einkaufsboulevard verboten. Das Verfahren kann zu einem Präzedenzfall werden: Das Gericht hat zum ersten Mal das Interesse von Einzelhandel und Autofahrern als Argument anerkannt, Demo- Routen einzuschränken.

Die Händler am Kurfürstendamm feiern einen kleinen Sieg mit möglicherweise großer Bedeutung: Das Verwaltungsgericht hat erstmals eine Demonstration auf dem Einkaufsboulevard verboten. Das Verfahren kann zu einem Präzedenzfall werden: Das Gericht hat zum ersten Mal das Interesse von Einzelhandel und Autofahrern als Argument anerkannt, Demo- Routen einzuschränken. Unter dem Motto „Achse des Friedens“ durften linke Gruppen am Sonnabend nur kurz vom Wittenbergplatz zum Bahnhof Zoo ziehen. Der Ku’damm war tabu. „Ein bemerkenswerter Beschluss“, sagte der Geschäftsführer des Einzelhandelsverbandes, Nils Busch-Petersen.

„Die ständigen Demonstrationen sind eine Katastrophe“, sagt Hartmut Westphal, Geschäftsführer von Peek & Cloppenburg an der Tauentzienstraße. Peek & Cloppenburg hatte gestern Pech. Das Haus liegt nahe am Wittenbergplatz. Pro Jahr verliere das Modehaus 2,5 Millionen Euro durch Kundgebungen und Aufzüge. Das habe der Computer anhand der Umsätze in den 81 anderen Peek & Cloppenburg-Häusern auf die Stunde genau errechnet. Das Fazit des Managers: Immer wenn draußen demonstriert wird, geht die Umsatzkurve nach unten. „Alleine die Hisbollah-Demo am 1. Adventssonnabend hat uns 78 000 Euro gekostet“, sagte Westphal. „An Demo-Tagen verzichten wir von vornherein auf ein Dutzend Aushilfskräfte.“ Werner Schmitt von der Gesellschaft der Kurfürstendamm-Händler sagt: „Wenn es im Radio heißt, auf dem Ku’damm ist eine Demonstration, dann bleiben die Leute zu Hause. Wir sind sehr zufrieden mit dem Beschluss.“

Weniger Glück hatten die Geschäftsleute in Mitte. Dort blockierten zur Mittagszeit 30 000 demonstrierende Beamte die Straßen – als die Demo trillerpfeifend und von vielen Polizeiautos begleitet von der Leipziger in die Friedrichstraße einbog, flüchteten viele Passanten. „Das ist geschäftsschädigend“, sagte Thorsten Ladkau in seinem leeren Hifi-Laden „Bang & Olufsen“ in der Friedrichstraße. „Die Beamten hauen den Einzelhandel in die Pfanne.“ Gähnend leer war es auch im „Mini-Center“ von BMW einige Häuser weiter. „Wir können keine Probefahrten anbieten und kein Auto ausliefern“, klagte ein Verkäufer. „Dabei ist der Sonnabend für uns der wichtigste Tag – da kommen die Geschäftsleute.“ Doch nach dem Beschluss des Verwaltungsgerichtes von Freitagabend können die Geschäftsleute hoffen, dass künftig auch ihre Belange berücksichtigt werden. „Das ist ein Einstieg“, sagte der Leiter der Versammlungsbehörde der Polizei, Joachim Haß, gestern dem Tagesspiegel. Bislang hatten die Gerichte Argumente wie das eines gestörten Weihnachtseinkaufs nicht anerkannt; das Demonstrationsrecht galt stets als prinzipiell wichtiger.

Die Behörden hatten den Aufzug zunächst vollständig verboten, da er sich mit einer Händler-Demo zu den Ladenschlusszeiten überschnitten hätte, die auch früher angemeldet gewesen sei. Diese Argumentation akzeptierten die Richter nicht: Es sei der Polizei möglich, beide Veranstaltungen zu koordinieren. Das Verbot, die Gehwege zu benutzen, und die beschränkte Route berücksichtige die Interessen der Händler. Die Händler sagten ihre eigene Demonstration daraufhin ab.

Die 1000 Teilnehmer der „Achse des Friedens“ mussten auf direktem Wege in neunzig Minuten vom Wittenbergplatz über Nürnberger Straße und Budapester Straße zum Bahnhof Zoo ziehen – und dies auch nur auf der rechten Fahrbahnseite. Ursprünglich hatten die Organisatoren eine deutlich längere Route durch alle wichtigen Einkaufsstraßen der West-City einschließlich des Kurfürstendamms angemeldet. Die „Achse des Friedens“ hatte jeden Kompromissvorschlag der Versammlungsbehörde über eine andere Route und eine andere Zeit abgelehnt.

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